Der «Adler» in Nebikon ist die Hochburg der Luzerner Gastronomie. 40 Jahre lang wirtete Silvia Hunkeler im romantischen Haus mit seinem Beizli, den zwei behaglichen Gaststuben und dem Saal. Bis 1990 stand der so zierlichen wie zähen Frau ihr Mann Seppi zur Seite. Koch mit Leib und Seele, brachte er die Luzerner mit Pioniergeist auf den Geschmack der marktfrischen, saisonabhängigen und bei den Produkten immer auch regional verankerten Küche. Nach seinem frühen Tod sorgte Silvia für Konstanz und Kontinuität. Dank ihren guten Kontakten zur Schweizer Haute Cuisine vermochte sie immer wieder hoch begabte Küchenchefs ins Amt Willisau zu locken. Zuletzt begeisterte der Süddeutsche Christoph Kremser mit fulminanten Kreationen.
Nun hat sich Silvia Hunkeler in ihr Häuschen am Santenberg zurückgezogen. Mit dem Verkauf gelang ihr ein weiterer Glücksgriff. Die neuen Besitzer, Raphael und Marie-Louise Tuor, garantieren den bruchlosen Übergang – dank ihrem ausgezeichneten beruflichen Können und weil sie um den ehernen Ruf der Institution «Adler» wissen und ihn respektieren. Denn Raphael war vor seiner Zeit in Greppen, die dem Restaurant Rigi 16 «Gault Millau»-Punkte und einen «Michelin»-Stern eintrug, in den frühen neunziger Jahren schon einmal Küchenchef im «Adler». Und auch Marie-Louise, die an Stelle ihres scheuen, sein Küchenreich nur zur Verabschiedung verlassenden Mannes mit Verve vor die Gäste tritt, arbeitete bereits einmal unter Silvia Hunkeler im Service.
Abgesehen von einer neuen Küche – die alte hatte mit ihrer Saunatemperatur das Stehvermögen der Köche jeweils arg geprüft –, blieb äusserlich alles unverändert. Auch Tuors Kochphilosophie unterscheidet sich nicht wesentlich von jener, die Habitués am «Adler» liebten. Es ist diese gleiche subtile Kombination von Währschaftem mit Elegantem, von Schweizer Küche mit klassischer französischer Kochkunst, ab und zu unterbrochen durch einen Ausflug in mediterrane Gefilde.
Im Beizli entscheidet man sich zögerlich zwischen dem Burehamme-Teller, den Gitzi-Möckli, dem Kalbskopf, den Kutteln und der geschmorten Kalbshaxe. Und in den beiden Gaststuben – die grössere ist den Nichtrauchern, die kleinere den Rauchern vorbehalten – schwankt man zwischen dem klug aufgebauten Menü und A-la-carte-Gerichten, wo mit dem Rücken vom Ennetbürger Limousin-Kalb, im Ofen gebraten mit Gemüse, und Tortelloni von der Haxe ab zwei Personen ein formidabler Gang wartet.
Schliesslich fällt die Wahl doch aufs «Adler»-Menü, das der frühen Ostern wegen bereits frühlingshaft eingefärbt ist. Es beginnt, in sich stimmig und voll Geschmack, mit einem famosen Küchengruss. Er kommt wie ein Essen im Kleinen daher: marinierte Forelle auf Fenchel; Zitronengrassüppchen mit Krevetten; Gitzi-Hamburgerli und Milke auf Cous-cous. Die beiden gelungenen Vorspeisen –Tunfischtatar in der gekühlten Gazpacho und Loup de Mer, gebraten auf einem Kartoffel-Fenchel-Püree mit frischen Erbsen – stimmen bravourös auf das erstklassige Hauptgericht ein: Ohmstaler Milchlamm aus dem Ofen in Variationen mit Bärlauchpolenta, Frühlingsgemüse und frischen Morcheln. Das Ohmstaler Gitzi lässt Tuor noch abhängen, es wird erst jetzt im April so richtig mürb sein. Das Dessert hält das hohe Niveau. Das Zitronensoufflé ist luftig-leicht, das weisse Schokoladensorbet erinnert an Ostern, einzig die Erdbeeren können nicht verhehlen, dass noch nicht Frühsommer ist.
Grosse Küche mit teilweise rustikalem Einschlag ist also auch nach dem Verkauf des «Adlers» in Nebikon zu geniessen. Zu dieser einen Freude kommt eine zweite: Die Preise im Gourmetteil sind sanft gefallen. Und gleich eine dritte: Die Weinkarte ist bei sehr fairen Preisen noch umfangreicher, noch besser geworden. Beeindruckend das Schweizer Angebot. Vorbildlich die Schöppliauswahl. Und wen die Promillegrenze am Austrinken hindert, der lässt sich den Rest der Flasche nach Hause mitgeben.
Gasthof Adler
Raphael und Marie-Louise Tuor-Wismer, 6244 Nebikon LU, Tel. 062 756 21 22, Fax 062 756 32 80, bis anhin 16 «Gault Millau»-Punkte, 1 «Michelin»-Stern, Menü 78 bis 100 Franken, montags und dienstags geschlossen.