Aussicht von der Sauna

Die Welt des Genusses

Von Pirmin Schilliger
am 07.03.2019 - 18:14 Uhr

Blick über den Vinschgau aus der Sauna des Hotels "Das Gerstl"

Quelle:

Teilen

Merken

Drucken

Article teilen

Südtirol bietet Besuchern eine überraschende Getränke-Kultur, Urlaub auf hohem Niveau und atemberaubende Aussichten.


Es begann mit einer Versammlung im Dorf. «Meine Frau ging zu dieser Veranstaltung vor über zehn Jahren», erinnert sich Bauer Reiner Amort, «nach Mitternacht kam sie zurück und sagte zu mir: ‹Ich baue jetzt Kaffee an.›» Und zwar nicht irgendeinen Kaffee, sondern den Altreier Kaffee, eine Sorte mit 150-jähriger Geschichte, eine Zeit lang vergessen und vom Markt gedrängt von den grossen Anbietern. Die Altreier wollten ihre alte Sorte zurück und starteten so eine überraschende Erfolgsgeschichte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Amort und seine Frau zogen auf damals noch kleinen Ackerflächen die Lupinenpflanze auf und haben ihre Samen gesammelt. Im italienischen Ferrara fanden sie mit anderen Altreiern eine Rösterei und begannen zu experimentieren. Mithilfe einer eigenen kleinen Röstmaschine gingen die Versuche im Dorf weiter. «Wir haben etwa zwei Jahre getüftelt, bis wir genau gewusst haben: Das ist die richtige Röstung.» Für 2,5 Kilo braucht es etwa 35 Minuten Röstung auf 140 Grad, um die Altreier Kaffeespezialität, die ein Kaffeeersatz ist wie Gerste, zu erzeugen. Inzwischen hat der Altreier Kaffeeverein 22 Mitglieder. Davon fünf, die die Lupinen anbauen und anschliessend vermarkten, der Rest beschränkt sich bei Anbau und Röstung auf den Eigenbedarf. Verkauft wird der Kaffee im ganzen Land und darüber hinaus. Eine Wiederentdeckung, die viele neugierig gemacht und immer mehr Menschen nach Altrei gelockt hat.

Bauer

Kaffeebauer Reiner Amort hält 150 Jahre Tradition in den Händen. Seit damals ist das Saatgut für den Kaffee das gleiche.

Quelle: Anne Gabriel-Jürgens

«Es haben schon viele probiert, unseren Kaffee bei sich anzubauen, aber sogar im Nachbardorf Truden war es unmöglich», erzählt Rita Amort, die ihren Mann mit der Kaffeeleidenschaft angesteckt hat. Der Boden für die Kaffeebohnen muss eher sauer sein, nötig ist ein ph-Wert von 5 bis 6,5. «Ich sage immer, der Altreier Kaffee hat einfach Heimweh nach Altrei, er will hierbleiben, wie die Bewohner auch», lacht sie. Wer sich für den Kaffee interessiert, sollte sich eine Kaffeeführung vor Ort nicht entgehen lassen. Rita Amort holt die Gäste bei der nahen Bushaltestelle ab und führt sie direkt in die blühenden Felder. Ein spektakulärer Anblick.

Die Lupinenpflanze Altreier Kaffee wird bis zu 120 Zentimeter hoch, sie wächst aufrecht und ein Blatt besteht aus neun bis zwölf Blättchen, die seidig behaart sind. Die Blüten sitzen in Blütentrauben auf 5 bis 15 Zentimeter langen Stielen. Die Blütenkrone ist leuchtend blau mit gelblich-weissen und vereinzelt rosafarbenen Punkten. Und wenn man sich diese Pflanze vorstellt, bekommt man eine Ahnung davon, warum die Besucherinnen und Besucher auf dem Hof der Amorts aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn das ganze Feld im Blauton blüht.

Wichtiger Bitterstoff

Nach der Besichtigung der Felder geht es auf den nahe gelegenen Hof, wo die Röstung erklärt wird und die Möglichkeit besteht, verschiedene Produkte mit dem Kaffee zu erwerben. Ein Gläschen mit 125 Gramm kostet umgerechnet etwa 13 Franken. Von den Besuchern im Altreier Kaffeedorf verlangen die Amorts nur eines: «Die Menschen sollten Zeit mitbringen. Es sollte keine Hetzerei sein. Nachdem die Gäste den Kaffee gekostet haben und die ganze Entstehung gesehen haben, ist die Begeisterung immer gross», erklärt Reiner Amort.

Das Spezielle am Altreier Kaffee? Er ist vielleicht der gesündeste, den es gibt. Und das aus gleich mehreren Gründen. Einmal die Bitterstoffe im Kaffee, die heute nach Ansicht der Amorts in viel zu wenigen Lebensmitteln vorhanden seien, alles sei inzwischen vom Zucker verdrängt worden. «Diesen Kaffee kann man morgens, mittags und abends trinken und da er kein Koffein hat, ist er sehr magenfreundlich und verdauungsfördernd, zudem glutenfrei und mit null Transportkilometern belastet» – ein unbehandeltes und regionales Produkt. «Hier wird nichts gespritzt, keine Dünger oder Ähnliches. Wir wollen ein rein biologisches Produkt», so die beiden. Kompromisse bei der Herstellung sind für die Altreier Kaffeebauern ausgeschlossen.

«Wir haben etwa zwei Jahre getüftelt, bis wir genau gewusst haben: Das ist die richtige Röstung.»

Reiner Amort

Produkte

Die Produkte des Altreier Kaffees

Quelle: Anne Gabriel-Jürgens

Für die Amorts ist das Thema Nachhaltigkeit entscheidend. Sie sind stolz darauf, dass der Kaffee seit 150 Jahren in Altrei zu Hause ist und immer noch das gleiche Saatgut verwendet wird. Auch beim Getreideanbau setzen die Bauern auf alte Sorten und nutzen kein Saatgut. Im Gespräch sagt Rita Amort, dass es ihr darum gehe, die Böden auf dieser sonnenverwöhnten landschaftlichen Terrasse im Süden Südtirols enkeltauglich zu erhalten. Sie freut sich, dass bei vielen Menschen, die ihre Kaffeeführungen besuchen, ein Umdenken hin zu mehr Regionalität und ökologischem Bewusstsein stattfindet. Ökologische Landwirtschaft – ein Thema, das in Südtirol in den letzten Jahren immer wichtiger und präsenter geworden ist. Leidenschaftlich diskutiert das ganze Land immer wieder darüber, wie die Pestizide in der Landwirtschaft zurückgedrängt werden können und wie der Bioanteil gesteigert werden kann. Der Südtiroler Bauernbund hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 die Bioflächen in der Landwirtschaft zu verdoppeln. Bereits heute kommt jeder vierte Bioapfel Europas aus Südtirol.

Gefragt bei Spitzenköchen

Der ökologische Schub und das Qualitätsstreben der Südtiroler Bauern haben dazu geführt, dass sich auch die Spitzenküche des Landes mit ihnen verbündet hat. Die hochwertigen Produkte des Landes werden von den Sterneköchen genutzt. Auch der Altreier Kaffee schaffte es dadurch aus der Vergessenheit in anspruchsvolle Dessertvariationen, die den vielen Gästen und Einheimischen kredenzt werden. Die Variations- und Nutzungsmöglichkeiten des Altreier Kaffees sind überraschend vielfältig.
Um den Altreier Kaffee in die Zukunft zu bringen, wünschen sich die Amorts den Einsatz von jungen Anbauern im Dorf. Auch wenn ihnen klar ist, dass die Zeit zwischen Job und Familie für viele begrenzt ist, vor allem weil die Herstellung des Altreier Kaffees sehr zeitaufwendig und reine Handarbeit ist. Ohne eine grosse Portion Idealismus ist das Ganze nicht zu stemmen. Für die Altreier spricht, dass immer mehr Menschen genau das suchen. Eine orthodoxe Bioeinstellung und viel Herz in einem regional verwurzelten Produkt. Einer alten Sorte neuen Schwung zu verleihen, das ist den Altreiern, hier im äussersten Süden Südtirols, jedenfalls schon gelungen.

Bohnen

Die Altreier haben lange nach der optimalen Röstdauer für ihr Produkt gesucht: Es sind 35 Minuten bei 140 Grad.

Quelle: Anne Gabriel-Jürgens

Sterneköche, Sightseeing, Übernachtungen: Planen Sie Ihre Reise ins Südtirol mit dieser Karte.

Klicken Sie sich durch die Kapitel: Die Sterneköche Südtirols (blau), Übernachtungsmöglichkeiten (grün), Sightseeing (violett) und Südtiroler Weinarchitektur (rot) und finden Sie Ihre optimale Strecke durch das Land.