Das wichtigste Frühwarnsignal für die Beurteilung der längerfristigen Gesundheit eines Unternehmens ist die Innovationsleistung. Wie wichtig Innovationen für den Geschäftserfolg tatsächlich sind, unterstreicht die empirische Strategieforschung. Im Rahmen des PIMS-Forschungsprojekts, dem grössten Strategieforschungsprojekt weltweit, wird die Bedeutung des «First Mover Advantage» empirisch bestätigt und quantifiziert.
Die entscheidende strategische Schlüsselressource ist nicht Geld, sondern Zeit.
Die entscheidende strategische Schlüsselressource ist nicht Geld, sondern Zeit. Es zeigt sich, dass Gewinner Marktpotenziale früher erkennen und Märkte proaktiv entwickeln. Sie agieren, anstatt zu reagieren – und Innovation ist ihr Schlüssel zum Erfolg. Die Wirtschaftsgeschichte lehrt uns, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Das «Bessere» ist der Feind des «Guten». «Substitution» wiederum ist der Feind des «Besseren». Jedes Geschäft wird substituiert, es ist nur eine Frage der Zeit. Innovation ist der differenzierende Faktor zwischen Gewinnern und Verlierern. Unternehmen, deren Innovationskraft nachlässt, befinden sich auf dem Abstieg, lange bevor dies in den Finanzkennzahlen sichtbar ist.
Die Bedeutung von Technologie
Erfolgreiches Innovieren erfordert ein tiefgehendes Verständnis der Kundinnen und Kunden und ihrer Bedürfnisse. Die meisten Unternehmen sind der Überzeugung, diese aufgrund ihrer operativen Geschäftsbeziehung zu kennen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es zumeist zu erheblichen Fremd- und/oder Eigenbildverschiebungen kommt. Allzu oft versperrt die Überzeugung vom eigenen Leistungsangebot den Blick auf die tatsäch liche Kundenwahrnehmung.
Das laufende Beobachten und Verstehen von Kundenbedürfnissen ist eine zentrale Voraussetzung für Innovations erfolg. Es gilt, die weissen Flecken der eigenen Wahrnehmung zu beseitigen. Entscheidend ist die Perspektive des Kunden oder der Kundin, denn deren Kaufentscheidung ist letztlich immer subjektiv. Das Verständnis und die kompromisslose Ausrichtung auf den wahrgenommenen Kundennutzen ist daher von elementarer Bedeutung.
Wirklich grosse und nachhaltige Innovationen gehen aber noch einen Schritt weiter. Sie orientieren sich nicht nur an bestehenden Kundenbedürfnissen, sondern zeigen, dass hier – früher, als andere es tun – latente Kundenbedürfnisse erkannt wurden, für die es noch gar keinen Markt gibt. Technologie ist dabei der wichtigste Treiber für nachhaltige Innovationen. Technologie ist der Schlüssel für bessere Produkte, in vielen Fällen gleichzeitig auch für Geschäftsmodell innovationen.
Kundenbedürfnisse zu erkennen und dafür neuartige, überlegene Lösungskonzepte zu entwickeln, ist die Königsdisziplin der Innovation. Reine Kundenbefragungen reichen dafür nicht. Hätte Henry Ford seine Kunden und Kundinnen danach befragt, was sie sich wünschen, hätte er vermutlich die Antwort «schnellere Pferde» bekommen. Das iPhone liefert ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus einem antizipierten Bedürfnis ein neuer Markt geschaffen wurde. Innovation ist das Fundament jeder Wachstumsstrategie.
1. Innovationsleistung ist der wichtigste Frühindikator für den längerfristigen Unternehmenserfolg.
2. Erfolgreiche Innovationen orientieren sich kompromisslos am Kundennutzen.
3. Technologie ist der wichtigste Treiber für nachhaltige Innovation.
4. Technologie ermöglicht überlegene Produkte, in vielen Fällen gleichzeitig auch Geschäftsmodellinnovationen.
5. Innovationskraft ist primär eine Frage von richtiger und guter Unternehmensführung.
Management zweier Disziplinen
Strategische Unternehmensführung ist ein Zweikampf mit zwei sehr unterschiedlichen Disziplinen. Zum einen geht es um die Stärkung der heutigen Erfolgspotenziale, um den Ausbau der Marktstellung und um die Steigerung der Produktivität. Zum anderen geht es um das Schaffen neuer, zukünftiger Erfolgspotenziale, also um Innovation. Nachhaltiger unternehmerischer Erfolg bedingt Exzellenz in beiden Disziplinen. Es geht nicht um ein Entwe-der-oder, vielmehr um ein Sowohl-alsauch, und dies gleichzeitig.
Die Erfolgsfaktoren in den beiden Disziplinen könnten unterschiedlicher nicht sein. Entsprechend erfordern sie unterschiedliche Steuer- und Führungsgrössen und Talente. Beim Management von Bekanntem scheuen wir Risiko und Ungewissheit, minimieren sie durch Planung. Wir schätzen die Kompetenz der Prozessgestaltung und die zuverlässige Lieferung.
Beim Management von Neuem hingegen setzen wir auf Agilität und schnelles Lernen. Wir akzeptieren, dass nicht alle Projekte zum Erfolg führen werden, arbeiten schrittweise, erstellen Prototypen. Wir machen kleine Einsätze, wenn Risiko und Ungewissheit gross sind, und erhöhen Investitionen aufgrund der Beweisstärke.
Die Gegensätzlichkeit dieser beiden Welten unter einen Hut zu bringen, fällt in der Praxis nicht leicht. Es liegt in der nicht delegierbaren Verantwortung des Topmanagements, die organisatorischen und kulturellen Voraussetzungen zu schaffen und zu fördern, sodass diese beiden Welten nicht nur koexistieren, sondern sich gegenseitig befruchten können.
Stefan Baldenweg, Mitglied der Geschäftsleitung, Michael Weber, Associate Director, beide Helbling Business Advisors, Zürich.