Mit künstlicher Intelligenz (KI) sind im Retail sehr viele Einsatzszenarien möglich. Dazu zählen etwa die optimierte Auswertung von Kundendaten für personalisierte Angebote, Treuepunkte und mehr; auch die Integration von Bots oder intelligenten Verkaufsassistenten ist denkbar. Ausgefallene Anwendungen wie Verkaufsroboter oder kassenlose Filialen mit intelligenter Videoüberwachung wurden hierzulande bereits in Pilotprojekten realisiert. Allerdings sind selbst vielversprechende Ideen nicht immer reibungslos in die bestehenden Infrastrukturen der Einzelhändler zu integrieren, auch wenn sie bei der Kundschaft auf Zustimmung stossen. Echtzeitdatenanalysen und künstliche Intelligenz kommen aber im Detailhandel sehr wohl zum Einsatz, oft jedoch hauptsächlich im Hintergrund. Daher bleibt KI am Point of Sale in der Regel für den durchschnittlichen Kunden eher nicht wahrnehmbar.

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Die Autoren

Frank Theobald, Partner und Leiter Competence Center Intelligent Ordering, Retailsolutions, Zug.

Alexander Kunkel, Partner und Leiter Competence Center SAPPromotion Management, Retailsolutions, Zug.

Die Anfänge des Machine-Learning

Dennoch profitiert die Kundschaft im Laden oder im Online-Shop von KI. Begonnen hat der Trend zu automatisierten Lösungen bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Damals wurden mit maschinellem Lernen erste Systeme entwickelt, die automatisch Waren nachbestellten. Heutzutage erfolgt dies in weit über 90 Prozent der Fälle komplett ohne manuelles Zutun. Die Lösungen vergleichen am Ende des Tages ihre Vorhersagen mit den tatsächlichen Verkäufen und optimieren ihre statistischen Modelle selbststständig anhand der über die Jahre gesammelten Muster. Ähnliche Modelle werden auch in anderen Bereichen wie der Sortimentsgestaltung angewendet, wo Prognose-Tools sicherstellen, dass der Kunde zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort das beste Angebot erhält.

Dabei arbeiten die Retailer entlang der Lieferkette rückwärts auch eng mit ihren Lieferanten zusammen. So werden seit einigen Jahren etwa auch Wetter-, Event- oder Geodaten in die Berechnungen einbezogen, sodass diese auch dem Hersteller zu einer verbesserten Planung seiner Produktion zur Verfügung gestellt werden können. Umgekehrt kooperieren die Lieferanten mit den Category-Managern der Händler, um die gewünschten Produkte in den richtigen Mengen in die jeweilige Filiale zu bringen.

90 Prozent der Nachbestellungen von Waren im Handel erfolgen bereits komplett automatisch ohne manuelles Zutun.

 

Im Modehandel beispielsweise sind filialspezifische Sortimente bereits recht erfolgreich. Während man früher für eine automatisierte Planung, Prognose und Bestandsführung noch zwingend Vergangenheitsdaten benötigte, können die Systeme mittlerweile für neue Produkte innerhalb von Warengruppen selbstständig nach ähnlichen Vorgängern als Referenz suchen und so präzise Prognosen erstellen, wie viele der neuen Artikel in den Filialen verfügbar sein sollten. Zusätzlich unterstützen mittlerweile, ähnlich wie Chat GPT, auch digitale Assistenten den Handel. Diese Assistenten verstehen natürliche Sprache und nutzen Daten aus dem Retail-ERP sowie Software von Drittanbietern, um daraus «intelligente», kontextbezogene Antworten auf Fragen der Fachanwender zu liefern.

 

KI am Beispiel Aktionsplanung

Auch in der Aktionsplanung wird KI eingesetzt, wodurch die Filialen weniger eingreifen müssen. Aktuell existieren bereits KI-Modelle, die beurteilen, wie zuverlässig die geplanten Mengen sind. Denn besonders bei Aktionsangeboten ist es entscheidend, dass diese im angekündigten Zeitraum ausreichend verfügbar sind. Bei den Filialen wird nur noch in Ausnahmefällen nachgefragt, welche Aktionen bestellt werden sollen. Grosse Retailer betreiben ausserdem eigene Abteilungen mit Datenanalysten, die zusätzlich zu den bestehenden Branchenlösungen eigene Auswertungen und Berichte erstellen. Wenn im Hintergrund die entsprechenden Regelwerke funktionieren, so lassen sich durch geschickte Allokation der Mengen auf die Flächen auch Nachhaltigkeitsbemühungen wie «Zero Waste» besser umsetzen.

«Auch Wetter-, Event- oder Geodaten werden in die Berechnung miteinbezogen.»

Frank Theobald Partner bei Retailsolutions

 

KI für Datenqualität

Die Genauigkeit der Vorhersagen hängt allerdings massgeblich von der Qualität der Daten ab, die der Auswertung zugrunde liegen. Leider stellen aber bereits einfachste Geschäftsregeln eine Herausforderung für gängige Software-Systeme dar. Mittlerweile leisten hier standardisierte Zusatzmodule Abhilfe, mit denen unter Einsatz von Machine-Learning neue Prüfregeln erstellt werden können, ohne dass die IT-Abteilung involviert werden muss. KI identifiziert dabei Plausibilitätsregeln, führt selbsttätig Korrekturen durch und schlägt dem Anwender Lösungen für Fehlerkorrekturen vor. Diese Informationen fliessen kontinuierlich zurück ins System und optimieren die Anwendung mit dem einzigen Ziel, die Datenqualität zu verbessern. Denn ohne eine seriöse Stammdatenpflege sind weder eine intelligente Planung und Steuerung der Geschäftsprozesse noch smarte Anwendungen wie Just-Walk-out-Läden, intelligente Warenkörbe oder digitale Spiegel möglich.