Nach einem kleinen Dämpfer im letzten Jahr konnte der Onlinehandel das Umsatzminus vom Vorjahr wieder aufholen und das Niveau von 14,4 Milliarden Schweizer Franken im Jahr 2023 erreichen. Dieses vermeintliche Wachstum ist allerdings vor allem dank der Teuerung zustande gekommen. Die Konsumflaute wirkt sich auch auf den Onlinehandel aus. Die Stimmung im Schweizer Handel ist verhalten positiv.
In der Schweiz wird über zehn Prozent des Detailhandelsumsatzes online erwirtschaftet: Im letzten Jahr trug Online im Food-/Near-Food-Segment 3 Prozent bei. Im Non-Food-Segment wurden bereits 18,8 Prozent der Umsätze online erzielt. Die grössten Volumina im Non-Food kommen aus der Kategorie Heimelektronik: Hier geben die Konsumenten und Konsumentinnen schon mehr als jeden zweiten Franken online aus.
Die Autorin
Alexandra Scherrer, Mitinhaberin und Geschäftsführerin Carpathia AG
Preissensible Kundschaft
Nachdem der Schweizer Onlinehandel im «Corona-Jahr» 2020 um 30 Prozent wachsen konnte, hat ab dem Jahr 2022 eine Konsolidierung eingesetzt. Schweizerinnen und Schweizer sind zurückhaltender bei ihren Ausgaben. Anbieter mit Discountpreisen und stark rabattierten Angeboten werden gezielter aufgesucht. Und Konsumentinnen und Konsumenten werden fündig: Viele Händler haben weiterhin volle Lager sowohl im In- als auch im Ausland und drücken ihre Produkte in den nachfrageschwachen Markt.
So auch die chinesischen Anbieter, allen voran die PDD Holdings, die dank Cross-Border-Format Temu rasantes Wachstum erreichen konnte und in der Schweiz von null auf geschätzte 350 Millionen Umsatz kam. Auch in China ist die Kauflaune mies – chinesische Hersteller haben dank Temu und anderen chinesischen Cross-Border-Plattformen wie Aliexpress oder Shein die Möglichkeit, schnell ausländische Absatzmärkte zu erschliessen. Dabei werden teilweise auch Verluste in Kauf genommen: Bei Temu kommt nämlich nur der günstigste Lieferant zum Zug. Damit lassen sich dann auch die Billigpreise erklären: zwei Sonnenbrillen für 3.27 Franken, vier Solaraussenlampen für 5.58 Franken. Weiter angekurbelt durch zusätzliche Rabatte, Verknappungs- und Gamification-Elemente sowie kostenlose Lieferung wird auch in der Schweiz eifrig bestellt. Dies trotz regelmässiger Kritik an mangelnder Produktsicherheit, fehlender Nachhaltigkeit, schlechten Arbeitsbedingungen oder daran, dass Steuerschlupflöcher ausgenutzt werden.
Fokus: Kostenoptimierung
Auch die zwei grössten Schweizer Detailhändler Migros und Coop reagieren auf die schwierige Wirtschaftslage und treffen auch im Onlinehandel Massnahmen, um Kosten zu sparen: So kündigte die Migros Anfang dieses Jahres an, M-Electronics und Sport-X verkaufen zu wollen. Unter der neuen Migros-Führung wurde gar die kostspielige Auslandexpansion von E-Commerce-Vorzeigekind Digitec Galaxus in Frage gestellt. Coop wiederum hat ihr Pure-Play-Onlinewarenhaus Microspot aufgegeben und setzt dezidiert auf Omni-Channel-Formate. Wie es mit Nettoshop, Fust und Interdiscount weitergeht, die sich gegenseitig mit überlappenden Sortimenten im sowieso schwierigen Heimelektronik-Segment konkurrieren, bleibt vorläufig offen.
Aber auch E-Commerce-Startups spüren, dass nun Kostenoptimierung im Vordergrund steht und das Geld bei den Investoren weniger locker sitzt. Mit Sparrow Ventures hat die Migros gleich einen ganzen Inkubator aufgelöst. Das inzwischen zehnjährige E-Food-Startup Farmy kämpft ums Überleben, musste jüngst seinen Standort in der Westschweiz schliessen und sah sich gezwungen, die «Crowd» um Geld zu bitten; so auch Babybrei-Startup Yamo, das schliesslich den Betrieb einstellen musste.
Gemischte Aussichten
In der Tat stimmt der Blick auf die Entwicklungen im Schweizer Onlinehandel nicht sonderlich optimistisch. Dennoch sind für gewisse Anbieter die Aussichten attraktiv: Gerade die Marktplätze können weiter zulegen. Beim Onlinehandel mit Lebensmitteln und im B2B-Segment ist das Wachstum ebenfalls positiv. Für das laufende Jahr 2024 gehen wir von einem kleinen einstelligen Wachstum im Onlinehandel aus.
Zuversichtlich stimmt, dass trotz des Kostenfokus vielerorts im Bereich Nachhaltigkeit vielversprechende Initiativen vorangetrieben werden, so zum Beispiel mit Kreislaufwirtschaft- und Secondhand-Konzepten. Erfreulich ist zudem, dass viele Onlineshops stetig in neue Service- und Beratungsfunktionen investieren, getrieben auch durch neue KI-Potenziale, und so eine insgesamt bessere Kundenerfahrung schaffen.