Konnten im Corona-Hoch viele Schweizer Player solide und überproportional an Umsatz zulegen, musste in den vergangenen beiden Jahren so mancher E-Food-Händler beim Umsatz massiv Federn lassen, das Einzugsgebiet verkleinern oder gar zusperren. Vor allem die Nische Quick Commerce hat gelitten. Mit Ausnahme von Stash und Easi.Delivery sind die meisten Testballons – von Heymigrolino bis hin zu Avec now von Valora – aufgrund von hohen Lohnkosten, tiefen Margen und ineffizienten Touren wieder aus dem Markt ausgeschieden. Auch Hofladenpionier Farmy hat über zwei Jahre in Folge den Grossteil seines Umsatzzuwachses verloren – und unternimmt mit der Schliessung des Standorts in der Romandie und weiterem Personalabbau derzeit einen erneuten Versuch, sich gesundzuschrumpfen.

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Urgestein Migros online konnte nach Einstampfen des innovativen und von der Kundschaft heiss geliebten Konzepts My Migros der Migros Aare nach einem Minus im Jahr 2022 vergangenes Jahr wieder einen Umsatzzuwachs von rund 5 Prozent verbuchen. Und auch der Online-Ableger von Aldi Suisse, Aldi-now, erfreut sich nach eigener Aussage stetig wachsender Beliebtheit und erzielte ein überproportionales Wachstum in Grossstädten wie Zürich und Genf. 2024 prüfe man das Aufschalten weiterer Liefergebiete. Als Branchenneuling macht auch der im Februar 2024 in Zürich gestartete Lieferdienst Alfies von sich reden, der mit seiner Lieferung in 60 oder 120 Minuten nach Bestelleingang beziehungsweise zur Wunschzeit neue Impulse in Sachen Kundenzentrierung setzen will. Als Gewinner im Schweizer E-Food darf man zu Recht Detailhändler Coop bezeichnen, der auch im herausfordernden Marktumfeld der vergangenen beiden Jahre durchschnittlich um rund 8,5 Prozent pro Jahr umsatzseitig wachsen und weiter Marktanteile hinzugewinnen konnte.

Der Autor

Matthias Schu, Dozent für E-Commerce und Handel, Hochschule Luzern

Basierend auf Zahlen des Handelsverbands und des Marktforschungsinstituts GFK lässt sich in der Gesamtschau feststellen, dass der E-Food-Markt in der Schweiz seit 2019 im Schnitt eine leichte Seitwärtsbewegung vollzogen hat und von rund 1,1 Milliarden Franken auf rund 1,35 Milliarden Franken im Jahr 2023 zulegen konnte, was einem Plus von rund 23 Prozent entspricht.

 

Kundenbedürfnisse noch stärker im Fokus

Schweizer Einwohnerinnen und Einwohnern ist heute primär eines gemein: Sie sind hybrider geworden als vor der Corona-Pandemie. Dies zeigt sich vor allem in ihrer abnehmenden Kanaltreue – sowohl online wie offline. Im Vordergrund stehen heute vielmehr die jeweilige Bedürfnissituation und der Dauerbrenner Convenience. Punkten können hier insbesondere die beiden Grossen mit Cross-Channel-Konzepten und Angeboten in beiden Welten. Allen voran jedoch Coop, der mit eigener Lieferflotte und einstündigen Lieferzeitfenstern beim Vollsortiment deutlich die Nase vorn hat.

23 Prozent konnte der Schweizer E-Food-Markt von 2019 bis 2023 zulegen.

 

Kundenseitig lässt sich eine weitere Polarisierung feststellen: Der Trend geht einerseits hin zum «One-Stop-Shopping» beim Wocheneinkauf, wobei der Faktor Zeitreduktion im Vordergrund steht. Die zwei bis drei Stunden pro Woche, die eine Familie für Offline-Shopping mit im Schnitt fünf Anbietern aufbringen muss, lassen sich über Vollsortimenter online durchaus einsparen. Und dies, wie eine Erhebung des «K-Tipps» vom März zeigt, am günstigsten bei Coop und bei Aldi – als gelerntem «Inbegriff des Preises» auf Platz zwei.

Anderseits treten – wie die Quick-Commerce-Gehversuche von Stash und anderen zeigen – auch mehr und mehr spontane Bestellungen mit kleinen Warenkörben ins Konsumentinnenbewusstsein. Wegen geringer Margen, zu kleiner Ballungszentren, einer hoch ineffizienten letzten Meile, gepaart mit hohen Lohnkosten, dürfte dieses Modell in der heutigen Form jedoch in der Schweiz nicht profitabel und skalierbar abgebildet werden können. Vielmehr wird eine Verschmelzung des heutigen Quick-Commerce-Modells mit profitablen Restaurantlieferdiensten wie beispielsweise Just Eat erwartet, die – in Kooperation mit stationären Convenience-Stores und Supermärkten, wie es in Grossbritannien Deliveroo und die dortige Co-op vormachen – spannende Synergien und tragfähige Geschäftsmodelle durch Kooperation in einer Plattformwelt hervorbringen können.