Die Blockchain-Technologie wird zahlreiche Sektoren in den nächsten Jahren grundlegend verändern – darunter auch die Immobilienbranche. Über die Ausgabe von Tokens, also digitalen Beteiligungen an Immobilien, können Häuser und Wohnungen in kleinere Anteile «zerstückelt» werden. Dadurch würden Kleinanlegerinnen und Kleinanleger besseren Zugang zu Immobilieninvestments erhalten. Neben Kryptowährungen und Aktien wären Immobilienanteile im Portfolio keine Seltenheit mehr.

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Von der Strasse in die Geldbörse

Blockchain-Experte Domenic Kurt betreibt in St. Gallen die Consultingfirma Visionand, die auf digitale Assets spezialisiert ist. «Die Leute sind fasziniert von Immobilien. Viele Anlegerinnen und Anleger wollen mit greifbaren Investmentformen wie Gold oder eben Immobilien an den Start gehen.» Dank der Blockchain-Technologie soll es Kurt zufolge künftig möglich sein, Real Estate zu tokensieren und in einem digitalen Wallet abzulegen. «Man läuft beispielsweise durch Bern und bekommt eine Push-Meldung. Sie weist auf eine Immobilie hin, bei der noch 200 Anteile offen sind. Rendite und Eigentümerin werden angezeigt. Binnen Minuten können per App Anteile gekauft werden. Diese werden in der Wallet gespeichert. Dort könnten zum Beispiel dann auch täglich Zinsen landen.»

Die technologischen Voraussetzungen dafür gebe es, so der Experte. Die Herausforderung sei jedoch die Schaffung eines Marktes von Immobilienanteilen. Heute sei der Aufwand noch zu gross. Handelsplätze dafür würden in der Schweiz erst entstehen, sagt Kurt. Zu seinen Kunden zählen die Berner Börse oder die Berner Kantonalbank. Sie überlegen, wie sie Immobilien auf die Blockchain bringen, damit auch Kleinanlegende in sie investieren können.

Der Schweizer Immobilienmarkt ist ein Verkäufermarkt. Den Zuschlag bekommt, wer das nötige Eigen- oder Fremdkapital mitbringt. Kleinanlegerinnen und Kleinanleger gehen dabei meist leer aus. Dieses Dilemma lasse sich, so Kurt, mittels Blockchains aufbrechen. «Ich hoffe, dass der Immobilienmarkt künftig wieder direkter zu den Kundinnen und Kunden kommt.»

Auch für Bastiaan Don ein Trend: Sein Startup Blockimmo soll der führende Marktplatz für Immobilien-Tokenisierung in der Schweiz werden. Don spricht bei der Ausgabe von Token von «rent to own». Mieter können so «über Zeit» zu Eigentümer ihrer angemieteten Wohnung werden. Don will die heute herrschenden Besitzverhältnisse im Immobilienmarkt aufbrechen.

So weit die Theorie. Es fehlt jedoch ein Handelsplatz für Kleininvestoren und -investorinnen. Ebenfalls nicht vorhanden sind konkrete User Cases, «um eine breite Masse von Investorinnen und Investoren für Immobilien-Token zu bewegen», sagt Don. Der Prozess für die Herausgabe von Token muss künftig standardisiert werden. Und weiter: «Dank Blockchain können Transaktionskosten und Zeit eingespart werden. Zudem können mehr Investierende an Bord kommen und es kann auch ein Sekundärmarkt entstehen.»

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Die Initiativen aus der Privatwirtschaft für ein funktionierendes Ökosystem reichen aktuell nicht aus. Eine weitere Hürde ist die Rechtsauslegung bei Smart Contracts. Sie gelten heute noch nicht als digitale Abbildung von klassischen Kaufverträgen in Papierform. «Beim Immobilienkauf muss eine Eintragung ins Grundbuch erfolgen. Das ist heute nicht vereinbar mit einer rein digitalen Übertragung», sagt ZHAW-Experte Bruno Pasquier, der sich mit Rechtsfragen der Blockchain befasst.

Möchte man Eigentumsrechte an Immobilien künftig per Token übertragen, muss der Gesetzgeber mitspielen. «Da Technologie und Gesetzgebung sich jedoch derzeit noch am Anfang befinden, lässt sich frühestens mit einem mittel- bis langfristigen Horizont von einem messbaren und praxisrelevanten Nutzen ausgehen», sagt Don.

Die soziale Dimension 

«Immobilien sind heute fast das Rückgrat der Wirtschaft eines jeden Landes», betont Honyang Wang. Sie forscht an der ETH zu Blockchain-basierten Technologien für Eigentum in der Architektur und im Bauwesen. In einer ihrer Veröffentlichungen fragt sie: «Was ist, wenn Immobilien niemandem oder allen gehören?» Die Blockchain-Technologie hat die Kraft, Eigentumsverhältnisse grundlegend zu verändern, auch im Immobilienbereich. «Es ist technisch machbar, aber was bedeutet das aus sozialer Sicht für die Eigentumsverhältnisse, für das Wohnen und auch für die heutigen Immobilienunternehmen?» Ihre Vision für die Welt von morgen ist die «Schaffung einer kollaborativen Umgebung und fragmentiertes Eigenkapital.»

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