Für unser erstes Treffen habe ich Daniel Manser gebeten, einen Ort auszusuchen, der ihm etwas bedeutet. Sein Vorschlag klingt perfekt: Wir wandern gemeinsam zur Alp Soll im Alpstein. Rund zwei Stunden bräuchte man vom Parkplatz bis zur Hütte. Als geborener Appenzeller liebe er diesen Platz dort oben, und wir hätten genug Zeit zum Reden. So gern ich seinem Vorschlag gefolgt wäre, musste ich dann leider doch passen. Mein Arzt hatte mir nach einem medizinischen Eingriff grössere und kleinere Anstrengungen für die nächsten Monate untersagt.
So wird es also die zweite Idee von Daniel Manser. Wir treffen uns auf einem Golfplatz nicht weit von Zürich. Seine Kleidung passt so gar nicht zum Golfplatz: Er trägt Strohhut, kariertes Hemd und eine Art Kniebundhose mit altmodischen schweren Schnürschuhen. Das Geheimnis ist schnell gelüftet. Ein Zürcher Restaurant der gehobenen Klasse hat Stammgäste und Freunde zu einem Turnier im Stil der 1920er-Jahre eingeladen. Manser als Charity-Partner kann bei den zumeist gut situierten Gästen mit einem kleinen Stand auf die von ihm mitgegründete Organisation A Million Dreams aufmerksam machen.
Manser hat die Non-Profit-Organisation vor rund einem Jahr zusammen mit dem ehemaligen Sportvermarktungsmanager Jens Keel gegründet. A Million Dreams erfüllt Träume von benachteiligten Menschen in der Schweiz, sehr häufig solche mit einer Beeinträchtigung. Auf der Webseite der Organisation sind rund ein Dutzend Videos von erfüllten Träumen zu sehen.
Daniel Manser baute als CEO das Unternehmen Derivative Partners zu einem der führenden unabhängigen Informationsanbieter für strukturierte Produkte auf. 2019 verkaufte er das Unternehmen an Avaloq, wo er bis 2022 arbeitete. Vor seiner Zeit bei Derivative Partners war er Leiter Produktmanagement Anlegen und Vorsorge bei der St. Galler Kantonalbank und von 1999 bis 2001 stellvertretender Leiter des Golfparks Waldkirch, der zur Migros Ostschweiz gehört.
Beispielsweise der ehemalige Sprinter, der wegen einer neurologischen Erkrankung im Rollstuhl sitzt und davon träumt, wieder laufen zu können. Oder die beiden Freundinnen mit Cerebralparese, deren Traum von einem Fallschirmsprung von Manser erfüllt werden konnte. Die Videos sind mit einfachen Mitteln gedreht und wirken sehr authentisch.
Weshalb tut ein Finanzmanager das? Er war seines Jobs nicht müde, er hatte kein Burnout – im Gegenteil, der Job hat ihm Spass gemacht. Warum also das alles? Über Nacht vom Saulus zum Paulus?
Vom Bauernhof zur Bank
Daniel Manser wird nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Als drittes von vier Kindern wächst er in Andwil im Kanton St. Gallen auf einem kleinen Hof mit 15 Kühen auf, den seine Eltern gepachtet hatten. Da sein Bruder schon studiert, kommt für ihn ein Studium aus finanziellen Gründen nicht infrage, und er startet eine Banklehre im nahen Gossau. «Die Finanzwelt hat mich immer schon interessiert», so Manser. Bereits in der Primarschule tätigt er erste Investitionen. «Ich habe physisch einen einzigen Dollar gekauft, in der Hoffnung, dass ich damit Geld verdiene. Das ging natürlich gründlich in die Hose.»
Nach der Lehre geht er für ein halbes Jahr ins Militär und arbeitet anschliessend nochmals ein Jahr in der Bank, dann hat er erstmal genug von der Finanzwelt. Er kündigt bei der Bank und reist für mehrere Monate nach Montpellier in Frankreich und nach Kalifornien, um seine Fremdsprachen zu verbessern.
Schliesslich schreibt er sich im Frühjahr 1994 für ein Marketingstudium an der Fachhochschule St. Gallen ein. Um die Zeit bis zum Studienbeginn zu überbrücken und etwas Geld zu verdienen, nimmt er im Winterhalbjahr einen Job als Nachtbuchhalter im Hotel Steigenberger Belvédère Davos an. Nachts verbucht er die Einnahmen des Tages und kümmert sich nebenbei als Nachtportier um die Bedürfnisse der Gäste. «Das war eine sehr interessante Zeit, man lernt sehr viel über Menschen und ihre Bedürfnisse, gerade über solche, denen es finanziell besonders gut geht im Leben.»
Studium in St. Gallen und Ausflug in den Tourismus
Zurück von den Schönen und Reichen im Wintersportdomizil Davos wählt Manser an der Fachhochschule den Schwerpunkt Tourismus und widmet sich zum ersten Mal mit einem Projekt Menschen, die mit Beeinträchtigungen zu kämpfen haben. In einer Projektgruppe entwirft er eine Marktanalyse für ein Hotel, in dem Menschen mit Beeinträchtigung das Personal stellen. Aus dem Projekt entstand später das Hotel Dom in St. Gallen, das heute immer noch auf diesem Konzept basiert. Es führt den Claim «Ein besonderes Hotel für besondere Menschen».
Ein weiteres Konzept, das er für seine Diplomarbeit erarbeitet, beschert ihm seinen ersten Job nach dem Studium. Sein Marketingkonzept für den Säntispark, einen Bäder- und Freizeitpark der Migros, preist er so lange den Migros-Verantwortlichen an, bis sie ihn schliesslich engagieren. «Sie haben mein Konzept dreimal abgelehnt, aber ich habe einfach immer wieder angefragt. Schliesslich haben sie entnervt aufgegeben und mich dann auch gleich angestellt.»
Er wird stellvertretender Projektleiter für einen neuen Golfpark, den die Migros auf der grünen Wiese entwickelt. Es ist der Golfpark Waldkirch, mittlerweile der grösste Golfpark der Schweiz. Die Aufbauarbeit reizt ihn, aber der anschliessende tägliche Betrieb ist ihm zu langweilig. Also zieht er knapp drei Jahre später weiter und gibt dem Finanzwesen eine zweite Chance.
Unruhestifter in der Kantonalbank
Bei einer Ostschweizer Kantonalbank wird er Produktmanager im Bereich Vorsorge. «Das tönte irgendwie kreativ, war dann allerdings zunächst ziemlich enttäuschend. Die Anforderungen waren nicht besonders hoch. Am ersten Tag hat mein Chef mir zwei Handbücher in die Hand gedrückt und gesagt: ‹Hier, lies die mal.› Abends ging ich dann zu ihm und fragte: ‹Okay, what’s next?› Aber er hatte für die Lektüre eine ganze Woche eingeplant.»
Am Ende der Woche kann Manser die beiden Handbücher schon fast auswendig und entwickelt sich in der Bank zum Spezialisten für die Säule 3a und die Freizügigkeitskonti. Manser ist keiner, der sich mit der täglichen Routine zufriedengibt. Er hinterfragt Zusammenhänge und scheut sich nicht, unbequeme Fragen zu stellen.
Bei der Jahresversammlung einer Stiftung, die für die Bank die Freizügigkeitskonten verwaltet, kommt am Ende der Veranstaltung im Plenum die obligatorische und eher rhetorische Frage, ob es denn noch offene Punkte gäbe. Manser meldet sich und fragt vor den Vertreterinnen und Vertretern aller Schweizer Kantonalbanken, ob denn der Wert von 40 Basispunkten für die Verwaltung der Konten nicht etwas zu hoch sei. Die Verantwortlichen sind peinlich berührt und wimmeln ihn ab, dies sei nicht der richtige Ort für diese Diskussion.
Manser bleibt hartnäckig, schreibt am nächsten Tag einen Brief an die Stiftung mit der Bitte um ein Gespräch zu dem Thema. Zwei Wochen später kommt es zu einem Termin in St. Gallen. «Die 0,4 Prozent für die Verwaltung der Gelder, das waren ungefähr 450’000 Franken im Jahr für meine Bank. Ich fand, das ist ziemlich viel Geld.» Der oberste Chef und der Produktverantwortliche der Stiftung haben sich zu dem Treffen angesagt. «Ich bin in das Meeting gegangen mit dem Ziel, die Gebühren von 40 Basispunkten auf 25 zu senken.»
Die Stiftungsverantwortlichen eröffnen die Besprechung mit dem Hinweis, dass sie sich die Kosten und Prozesse noch einmal im Detail angeschaut hätten und ihm Recht geben müssten. Daher ihr neues Angebot: 19 Basispunkte. «Und so war das Treffen bereits nach zehn Minuten beendet», so Manser, der damit einen ersten Erfolg in der Bank landet, der schnell die Runde macht. Immerhin kann die Bank ihre Kosten um rund 200’000 Franken im Jahr senken. Und auch alle anderen Kantonalbanken, die bei der Basler Stiftung ihre Konten verwalten liessen, erhalten die neuen Konditionen. Die Ersparnisse gehen in die Millionen.
Ein frecher Siech
Bestätigt durch den Erfolg sieht sich Manser nach weiteren Einsparmöglichkeiten um. Ein anderer Dienstleister, der für die Konten der Säule 3a die Erstellung der Steuerformulare erledigt, bekommt von Manser einen Anruf. Die Gebühr von 5 Franken pro Konto sei doch ein wenig zu hoch, oder nicht? Der ältere Herr am anderen Ende der Leitung ist wenig begeistert. Er beschimpft Manser als frechen Siech und fragt ihn, was ihm denn einfalle. Das Gespräch ist schnell beendet. «Der Kerl hat meinen Ehrgeiz geweckt, das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Hätte er nur 4.50 Franken geboten, wäre ich zufrieden gewesen. Aber so wollte ich nicht mit mir umgehen lassen.»
Manser hat eine feine Antenne für Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen. In Banken sind das beispielsweise die Mitarbeitenden im Backoffice. Er versteht sich gut mit den Kolleginnen und Kollegen aus der IT und trinkt von Zeit zu Zeit einen Kaffee mit ihnen. Als er dann anfragt, ob es möglich sei, das Steuerformular selbst zu programmieren und in die Bankprozesse zu integrieren, bekommt er sofort Unterstützung. Nach einer ersten Analyse erhält er das Feedback, dass dieser Auftrag rund 50’000 Franken für die Programmierung kosten würde.
«Ich habe dann zwei Kollegen bei zwei anderen Kantonalbanken, die das gleiche IT-System hatten wie wir, gefragt, ob sie ebenfalls interessiert seien. So haben wir uns die Kosten geteilt. Am Ende kostete es jeden Partner dann nur 10’000 Franken, bei einer Ersparnis von 450’000 Franken pro Jahr allein für meine Bank. «Wir haben alle drei gleichzeitig einen eingeschriebenen Brief mit der Kündigung der Zusammenarbeit an den externen Dienstleister gesendet.»
Eine Golfanlage in der Bank
Im Hauptsitz der Bank bleibt Manser trotz der Erfolge ein Aussenseiter. Mit seiner hinterfragenden Art eckt er im Team an, das mit der täglichen Routine zufrieden ist. Sein Chef löst die Konflikte auf elegante Art, er schafft für Manser einfach ein neues Team und trennt ihn von der Gruppe. Zusammen mit einem Mitarbeiter zieht Manser in ein anderes Büro. Dieses ist allerdings so gross, dass er – gelernt ist gelernt – kurzerhand eine Minigolfanlage darin einrichtet. Die Anerkennung seiner Erfolge hat ihm eine gewisse Beinfreiheit in der Bank gegeben.
Er glaubt, dass er sich solche Spässe erlauben kann, und macht die Probe aufs Exempel. Die Neuigkeit verbreitet sich wie ein Lauffeuer in der Bank. Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abteilungen werden neugierig, kommen vorbei, spielen eine Runde und schliessen so Kontakte mit Manser, die seiner Tätigkeit in der Bank zugutekommt. «Eines Tages stand unser CEO in der Tür und meinte, dass unsere Golfanlage Thema in der Geschäftsleitungssitzung war. Das wolle er sich doch mal mit eigenen Augen ansehen. Alle haben ein bisschen komisch geguckt, aber verboten hat es uns keiner.»
Ein paar Wochen später eröffnet eine neue Niederlassung der Bank, einige Kilometer entfernt. «Ich habe zu meinem Kollegen gesagt, pack deine Sachen, da fahren wir heute hin und erweisen den neuen Kolleginnen und Kollegen unseren Respekt und unsere Glückwünsche.» Sie verlassen eine Stunde vor Dienstschluss das Büro und laufen vor dem Fahrstuhl dem CEO in die Arme. «Oh, Manser, schon Feierabend?», fragt der CEO spöttisch. Woraufhin er zurückschiesst: «Hätten Sie heute etwas mehr Gas gegeben, könnten Sie auch schon gehen» – und mit seinem Kollegen im Fahrstuhl verschwindet. «Er hat es wie ein Mann genommen und nur geschmunzelt», so Manser. «Aber mein Chef, der sein Büro direkt neben dem Fahrstuhl hatte und alles mitanhörte, fiel quasi vom Stuhl.»
Nur kurz nach der Ankunft in der neuen Niederlassung geht die Tür auf, und vor ihnen steht der CEO, um eine kleine Begrüssungsansprache zu halten. Es stellt sich heraus, dass Manser und sein Kollege so ziemlich die Einzigen aus der Zentrale waren, die ihren Feierabend dafür geopfert haben, um aufs Land und in die neue Niederlassung zu den neuen Kolleginnen und Kollegen zu fahren. «Der CEO zwinkerte uns zu, der fand das richtig gut, dass wir vor Ort waren», erinnert sich Manser.
«Was nicht verboten ist, ist erlaubt»
Das Golfspielen im Büro führt für Manser auch zu einer Begegnung, die seine spätere Karriere entscheidend prägen sollte. Eine IT-Analytikerin der Bank, die gerne mal auf eine schnelle Golfrunde bei Manser im Büro verbeikommt, fragt ihn eines Tages, warum sie in Mansers Bereich der 3a-Produkte nicht auch einmal ein strukturiertes Produkt anbieten.
Strukturierte Produkte, hierzulande auch «Strukis» genannt, sind eine Kombination aus einem klassischen Finanzprodukt (Aktien, Anleihen, Obligationen, Devisen und so weiter) und einem Derivat. Es handelt sich dabei um ein flexibel gestaltbares Anlageinstrument. Strukturierte Produkte sind jedoch aufgrund der flexiblen Gestaltbarkeit komplex und eher für erfahrene Anlegende geeignet.
«Die Idee fand ich interessant, ich habe dann in der entsprechenden Verordnung für 3a-Produkte geschaut, was alles verboten ist, aber strukturierte Produkte waren nicht dabei. Daher: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.» Manser kurbelt einen Genehmigungprozess an, der mehrere Monate andauert. Er spricht mit dem Kanton, dem Bund, der Finma, überzeugt intern die Rechtsabteilung und seine Vorgesetzen.
Nachdem er alle überzeugt hat, braucht er für die Absicherung der Produkte noch eine andere Bank. Er fragt die ZKB, die UBS und die CS. Alle drei lehnen ab, schliesslich findet er eine kleine Bank, die bereit ist, mitzumachen. «Nachdem wir das Produkt im Markt angeboten haben und es ein Erfolg wurde, haben uns die Grossbanken kopiert.» Die Kantonalbank erhält für diese Finanzinnovation den Swiss Derivative Award. Ein Preis, der sonst regelmässig an eine der Zürcher Grossbanken geht und nicht an eine Kantonalbank in der Ostschweiz. «Da war ich schon ein bisschen stolz», sagt Manser und lächelt leicht.
«Das war ein Riesenschritt für mich»
Insgesamt sieben Jahre lang bleibt Manser bei der Bank, dann kündigt er. Er hat sich in die Welt der strukturierten Produkte eingearbeitet und ist in diesem Bereich in und ausserhalb der Bank ein anerkannter Experte geworden. Das ist auch Unternehmen aufgefallen. Er bekommt ein Angebot von Derivative Partners. Das Unternehmen gibt das Magazin «Payoff» zum Thema strukturierte Produkte heraus und bietet Banken und Finanzinstituten IT-Services rund um die Anlageform dieser Produkte an. Eine Art Bloomberg für die Nische der strukturierten Produkte. Derivative Partners ist der Pionier in diesem Bereich. Alle zwanzig Minuten berechnen die Systeme der Firma neue Kennzahlen für alle wichtigen strukturierten Produkte, und sie liefert die Zahlen dann als Dienstleisterin an vierzig Finanzinstitutionen.
Manser wird zunächst Chefredaktor des Magazins und steigt auf, ab 2014 ist er CEO, ein Jahr später übernimmt er mit seinem Kollegen Patrick Walther in einem Management-Buy-out das Unternehmen. «Das war ein Riesenschritt für mich. Ich hatte ja niemanden aus der Familie, der mir hätte helfen können. Alles, was ich gespart hatte, ging dafür drauf, die Hypothek fürs Haus hatte ich ausgereizt und die Pensionskasse angezapft. Aber ich wusste, dass wir aus der Firma etwas machen konnten.»
Erste Angebote für Übernahme
So passiert es: Nach der Übernahme bringen sie die Firma innerhalb weniger Monate wieder in die Gewinnzone und verdienen dann einige Jahre gutes Geld. Zum ersten Mal geht es Manser finanziell richtig gut. Als dann im Jahr 2019 nach vier Jahren die ersten Angebote für eine Übernahme kommen, nehmen es beide Inhaber nicht besonders ernst, aber hören sich die Angebote an.
«Erst kam ein deutscher Interessent, dann ein Engländer und schliesslich auch ein Schweizer.» Der Schweizer Interessent war die Avaloq Group mit Sitz in Freienbach. Der Finanzdienstleister vertreibt ein eigenes Softwarepaket an rund 140 Banken und sieht die Manser-Firma als eine ideale Ergänzung des Geschäfts, um auch im wachsenden Bereich der strukturierten Produkte eine führende Lösung anbieten zu können.
Die Chemie passt zwischen dem potenziellen Käufer und dem potenziellen Verkäufer, relativ schnell geht der Deal über die Bühne. Der Preis ist für Manser natürlich wichtig, aber nicht das Wichtigste. «Wir wollten, dass die Firma als eigenständige Einheit mit den bisherigen 15 Mitarbeitenden weitergeführt wird. Die Engländer hingegen hätte den Laden in der Schweiz dichtgemacht und nur die Software mit nach England genommen.»
Noch weitere drei Jahre arbeiten Manser und Walther als Angestellte von Avaloq weiter. «Es war eigentlich wie im Paradies. Wir hatten super Chefs und kannten das Business bis ins Detail. Das hat weiterhin Spass gemacht.» Wieso dann der Abschied Ende 2022 und die Gründung von A Million Dreams?
Mehr «Purpose» im Leben haben
Er sehe sich eigentlich nicht als Wohltäter, so Manser, sondern immer noch als Unternehmer. Früher habe er reiche Menschen in der Finanzwelt glücklich gemacht, indem er ihnen geholfen hat, noch mehr Geld zu verdienen, heute helfe er halt Menschen, die nicht so viel Glück gehabt haben im Leben. Im Alter von fünfzig Jahren sei in ihm der Gedanke gewachsen, etwas in seinem Leben zu verändern. Er habe sich gesagt: «Zwei Drittel deines Berufslebens hast du jetzt hinter dir, und dir geht es gut – sieh doch zu, dass du im letzten Drittel etwas mit mehr Purpose auf die Beine stellst.»
Zufällig hatte sein heutiger Partner bei A Million Dream, Jens Keel, ähnliche Gedanken. Beide wollen aber nicht nur Menschen mit einer Einschränkung einen Traum erfüllen. Mit ihrer Organisation wollen sie alle Menschen in der Schweiz dazu inspirieren, über ihre Träume nachzudenken und diese auch zu erfüllen. «Darum heisst es ja auch A Million Dreams und nicht A Thousand Dreams», so Manser. «Mit unseren Beispielen wollen wir einen Anstoss geben, über die eigenen Träume und die Träume der Partnerin oder des Partners, von Freunden und Verwandten nachzudenken.»
«Es sei nicht so, dass ich für immer ausgesorgt habe»
Der Entscheid, aus der Finanzbranche auszusteigen, hat natürlich auch finanzielle Konsequenzen für Manser. Es sei nicht so, dass er für immer ausgesorgt habe. Er könne jetzt die Zeit zwar gut überbrücken, aber es sei schon sein Ziel, in ein paar Jahren aus der A-Million-Dreams-Organisation ein kleines Gehalt zu beziehen. Was denn die Familie damals dazu gesagt habe, dass er aus dem gut dotierten Finanzwesen aussteigen wollte? «Ich habe das damals ganz in Ruhe mit meiner Frau und den Kindern besprochen. Die fanden das alle toll und haben mich sehr unterstützt bei dieser Entscheidung.»
Manser ist inzwischen von seiner Frau getrennt, aber das habe nichts mit seiner Entscheidung für A Million Dreams oder der finanziellen Umstellung zu tun. Manser schaut lange auf seinen Kaffee. Wir sitzen inzwischen im Clubhaus des Golfclubs, ausser uns ist an diesem späten Vormittag noch niemand hier. Als wir über seine Familiensituation sprechen, wirkt Manser zum ersten Mal nicht so sprühend optimistisch wie den ganzen Vormittag zuvor. «Solche Sachen passieren nun mal, leider ist das heutzutage fast schon normal.»
Was denn seine Träume seien, will ich zum Abschied wissen? «Mein Traum ist es, A Million Dreams als Trauminstanz der Schweiz etablieren zu können, auf stabile finanzielle Füsse zu stellen und damit möglichst viele Menschen glücklich machen zu können.» Der Erfolg ist nicht selbstverständlich. Von zehn neu gegründeten gemeinnützigen Organisationen schaffen es neun nicht, nachhaltig erfolgreich zu arbeiten. «Dass A Million Dreams dies schafft, ist also alles andere als selbstverständlich. Entsprechend ist dies ein grosser Traum von mir, da ich jetzt meine ganze Energie, Passion und mein Herzblut investiere.»
Und privat? «Mein Traum ist, meinen drei Kindern Werte mit auf den Lebensweg zu geben, die sie zu verantwortungsvollen Menschen machen. Ich hoffe fest, dass ich mir diesen Traum erfüllen kann.» Es sieht ganz so aus, als könnten seine Kinder eine ganze Menge von ihrem Vater lernen.
Das Ziel von A Million Dreams ist, Menschen glücklich zu machen. Als gemeinnützige, steuerbefreite Organisation erfüllt die Organisation Träume von benachteiligten Menschen in der Schweiz. Gleichzeitig sollen alle Menschen motiviert werden, die Träume ihrer Mitmenschen, aber auch ihre eigenen zu verwirklichen. Wer A Million Dreams als Privatperson unterstützen möchte, kann sich beispielsweise als Passivmitglied (180 Franken/Jahr), Gönner (600 Franken/Jahr) oder Spenderin engagieren. Verschiedene Grossunternehmen sind bereits Partner bei der Organisation.
1 Kommentar
Chapeau Herr Manser, grossartig!