Seit Beginn der Pandemie hätten, so schreibt das Bundesamt für Statistik, rund 28 000 Personen die Hotel- und Gastro-Branche verlassen – Fest- wie Teilzeitangestellte. Dies im Kontrast zur Wirtschaftslage: Sie wächst seit 14 Jahren regelmässig, und die Arbeitslosigkeit steht derzeit bei unter 2 Prozent, was weltweit hervorragend ist. Es gibt aber gleichzeitig weniger neue Erwerbstätige und laufend mehr Pensionierte.
Der Mangel an Arbeitskräften ist enorm, auch bei einfach ausgebildetem Personal, wie man dies im Sommer beispielsweise bei den Gepäckdiensten an den Flughäfen sah. Darunter leidet auch die Hospitality-Branche der Innerschweiz. Viele ausländische Kräfte sind während Corona in ihre Heimat zurückgekehrt, weil sie den Job verloren haben oder sich grundsätzlich unsicher bezüglich der Zukunft in unserem Land fühlten.
Fachleute erkennen, dass der Fachkräftemangel schon vor der Pandemie ein Thema war, vielleicht nicht so intensiv wie gerade jetzt. Viele Mitarbeitende in Hotels und Restaurants wurden auf die Auszeitbank gesetzt, und manchen hat das aufs Gemüt geschlagen. Der langjährige Hotelier Michael Gehring erkannte zudem: «Unsere Branchen schwächelten ja in mehreren Personalfragen. Wir kümmerten uns kaum um Arbeitszeitmodelle, und gleichzeitig wurden sämtliche Marketinggelder jahrzehntelang nur in den Gast investiert. Von Employer Branding hören wir in unserer Branche erst seit kurzem.» Zusätzlich stört in der Hotellerie, dass viele Hotelschulen den jungen Studierenden suggerieren, dass sie unbedingt Managerinnen und Manager werden müssen, am besten Chefinnen oder Direktoren. Und das hilft natürlich auch nicht, um etwa das Image der Berufe Restaurantfachperson oder Köchin zu verbessern.
Innerschweiz über Landesdurchschnitt
Markus Conzelmann führt seit Jahren das Hotel Radisson Blu in Luzern und arbeitet eng mit Fachhochschulen zusammen: «Hier am Vierwaldstättersee haben wir es zum Glück etwas besser. Die Region ist ein Tourismus-Cluster, das heisst. Gastronomie und Hotellerie sind hier wirtschaftlich relevant und gesellschaftlich verankert. Und so finden wir auch immer wieder junge Leute, die in einem Hospitality-Betrieb arbeiten möchten.»
In der Zentralschweiz ist der Druck in der Branche wohl etwas kleiner als in Zürich oder Genf. Conzelmann ist zudem überzeugt, dass es weniger schwierig ist, weiterhin gut motivierte Mitarbeitende zu finden, weil die Innerschweizer Industrie immer relativ gut für ihr Mitarbeitendenmilieu geschaut hat.
Höhere Löhne und flexiblere Arbeitszeitmodelle könnten die Attraktivität steigern.
Trotzdem, auch in Luzern macht Not erfinderisch. Im «Radisson Blu» hat man sich kürzlich «getraut», eine Dame aus einer komplett anderen Branche, eine Hairstylistin, als Quereinsteigerin im Verkauf anzustellen. Conzelmann und seine Personalverantwortliche wollen in allen Segmenten flexibel und innovativ sein. Das kann bedeuten, dass sich zwei Mitarbeitende einen Job teilen oder dass man auch Mütter engagiert, die «nur» 40 oder 60 Prozent arbeiten können.
Dazu kommt auch die Frage, ob man in Zukunft wieder leichter Personal aus dem Ausland finden kann. Markus Conzelmann hat heute schon Angestellte aus 35 verschiedenen Ländern, wobei alle Kader aus der DACH-Region stammen. «Ich sehe kein Hindernis, wieder vermehrt Personal aus dem Ausland zu finden; das ist auch politisch vertretbar. Und gesellschaftlich sowieso, die Schweiz war schon immer ein Schmelztiegel von verschiedensten Ländern und Kulturen, und gerade die Hotellerie und Gastronomie konnten im Grossen und Ganzen immer davon profitieren.»
Angela Tauro dient den ZFV-Unternehmungen als Personaldirektorin; ZFV führt beispielsweise die Gastronomie im Verkehrshaus Luzern. «Für uns bleibt die Situation angespannt, aber wir arbeiten aktiv dagegen an: Zur Besserstellung der Mitarbeitenden haben wir diverse Lösungen definiert und teilweise bereits umgesetzt. Priorität hatte die Anhebung der Löhne. Und so gibt es in unserer Gruppe bei einem Vollzeitpensum keine Monatslöhne mehr unter 4000 Franken. Ausserdem profitieren unsere Mitarbeitenden neu von vergünstigten Kinderbetreuungsplätzen, wir sind offen für Teilzeitpensen, und es gibt bereits Betriebe, welche die 4-Tage-Woche (bei 100-Prozent-Pensum) eingeführt haben.» ZFV hat sich zudem von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen, sodass keine Lohndifferenzen mehr aufgrund des Geschlechts existieren.
Den Fachkräftemangel wird man auch in der Innerschweiz nicht kurzfristig auflösen können. Aber mit einer höheren Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden auf allen Stufen, Flexibilität in Bezug auf die Anstellungsmodelle, laufender Weiterbildung auch individuell direkt am Arbeitsplatz sowie einer marktgerechten Entlöhnung könnte das Problem vermutlich etwas entschärft werden.