Dass das globale Ernährungssystem massgeblich zu Biodiversitätsverlust und zum Klimawandel beiträgt, ist in Fachkreisen ziemlich unbestritten. Um die negativen Auswirkungen zu stoppen, werden neue Angebote für eine Ernährung entwickelt, die nicht auf Kosten des Planeten geht. Die Basis dazu: Konsumentinnen und Konsumenten beginnen, ihren Konsum zu überdenken. Das zeigt der aktuelle European Food Trends Report des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI).
Der Report unter dem Titel «Feeding the Future» listet Chancen für ein nachhaltiges Ernährungssystem auf. «Die Transformation hat bereits begonnen – wenn auch nur im Schneckentempo», kommentiert Christine Schäfer, Senior Researcher am GDI und Autorin des «Food Trends Report». Das Nadelöhr in der Transformation zu einem nachhaltigen System innerhalb der planetaren Grenzen werden die Konsumenten sein, so Schäfer: immerhin acht Milliarden Menschen, die tagtäglich mehr als 200 Konsumentscheidungen treffen.
Hohe Komplexität
Doch bis die Menschheit Nachhaltigkeit verinnerlicht hat, dürfte es noch dauern. Kommt dazu, dass das Ernährungssystem eine Komplexität erreicht hat, die schwer zu durchschauen ist und nicht von einzelnen Akteuren kontrolliert werden kann. «Dennoch ist Veränderung möglich», sagt die GDI-Forscherin, «Voraussetzung ist, dass alle Schlüsselakteure aus Unternehmen und Politik wie auch Konsumentinnen zusammenarbeiten und ihr Verhalten ändern.» Einfacher gesagt als getan. Denn Zielkonflikte im Ernährungssystem durch falsch gesetzte Prioritäten erschweren das Vorankommen. Sie machen Entscheidungen langsam und bremsen den Wandel. Für Christine Schäfer sind daher «eine Neuausrichtung der Prioritäten und eine Umverteilung der Gelder auf zukunftsfähige Branchen unumgänglich.»
So können etwa Landwirte mit Methoden der Agrarökologie und Präzisionslandwirtschaft ressourcenschonender produzieren. Smarte Daten ermöglichen eine effizientere Logistik. Und neue virtuelle Absatzkanäle sowie eine lebendige «Creator Economy» (Food-Bloggerinnen, Influencer, Online-Köche) mischen die Branche auf und können wichtige Themen ins Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten tragen. Mit Verpackungen, die wiederverwertbar oder biologisch abbaubar sind, reduziert die verarbeitende Industrie zudem ihren ökologischen Fussabdruck. Und längst haben Forscherinnen alternative Proteinquellen auf Zell- oder Fermentationsbasis erschlossen, bei deren Herstellung weniger Treibhausgase entstehen sollen als bei der konventionellen Fleischproduktion.
Chancen für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem
Neue Handlungsmöglichkeiten
Der «Food Trends Report» des GDI unterteilt die Chancen in die drei Kategorien Frontend, Backend sowie Politics & Economics (siehe Tabelle unten). Das Frontend beschreibt neue Handlungsmöglichkeiten für Konsumentinnen, Handel und Gastronomie. Es geht um neue Absatzkanäle, neue Bedürfnisse sowie Veränderungen im Konsumverhalten. Im Backend geht es um Innovationen, Wachstum und Veränderungen in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie, Logistik und Distribution. Die Kategorie Politics & Economics schliesslich analysiert politische Rahmenbedingungen sowie grossräumige wirtschaftliche und demografische Entwicklungen.
Grosse Hebel sind im Backend ein effizienteres Management der Lieferketten, neue Transporttechnologien und der Ausbau lokaler Ernährungssysteme. Für die Landwirtschaft bieten sich Chancen durch regenerative, bodenschonende Anbaumethoden, den Einsatz von Technologien oder die Entwicklung neuer Pflanzensorten. Um den Nährstoffgehalt und die Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen zu erhöhen, kann zudem der Einsatz von Technologien wie Crispr oder grüner Gentechnologie helfen.
Hürden aus dem Weg räumen
Forscherin Christine Schäfer ist überzeugt: Mit geeigneten Massnahmen können Landwirtschaft, Industrie, Handel und Politik gemeinsam die bestehenden Hürden im System aus dem Weg räumen und attraktive, nachhaltige und gesunde Optionen zu einem fairen Preis schaffen, «damit die Konsumenten nicht zwischen dem entscheiden müssen, was gesund und nachhaltig ist – oder was schnell verfügbar, bezahlbar und bequem ist».
1 Kommentar
Meine Nachkommen können mir nur leid tun. Kein Genuß mehr, nur noch Zweck! In einem Science Fiction Roman der 60er Jahre wird beschrieben wie Bergwerkssklaven ernährt werden. Nach der Arbeit den Mund an ein von der Decke kommendes Rohr gepreßt, die vorgesehene Menge in den Magen gedrückt und das wars. Dahin geht die Post dieser faschistoiden "Allesbestimmer"!