Eine beeindruckende Berglandschaft und sonniges Wetter boten sich etwa einem Dutzend Topmanagern, die sich vom ersten bis zum dritten Februar im Sporthotel Mercure im französischen Les Arcs trafen. Doch die international bunt gemischte Truppe wählte das holzverkleidete, achtstöckige Viersternhotel nicht wegen der frisch verschneiten Skipisten am Fusse des Montblanc oder des schönen Schwimmbads, sondern wegen seiner Abgeschiedenheit auf 1800 Meter Höhe in den französischen Alpen. Ungestört vom täglichen Geschäft, mit wenig Kontakt zur Aussenwelt, kam das Trüppchen zusammen, um die zukünftige Strategie ihres Unternehmens zu besprechen.

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«Wir haben zweieinhalb Tage intensiv gearbeitet», sagt Adecco-Chef Jérôme Caille, der die Sitzungen trotz Grippeschwäche leitete. Stoff gab es genug: Eben hatte der weltgrösste Zeitarbeitskonzern mit 16,3 Milliarden Euro Umsatz (2003) den französischen Nischenanbieter Altedia gekauft, weshalb auch die Altedia-Gründer in Les Arcs präsent waren. Die Akquisition, die mit einen Kaufpreis von 150 Millionen Euro wie ein kleiner Fisch aussieht, ist in Wahrheit ein Paradigmawechsel für Adecco: Mit 13 Prozent Reingewinnmarge ist Altedia profitabler als Adecco selbst in seinen rentabelsten Teilbereichen LHH (Karrieremanagement) und Ajillon (Vermittlung von Spezialkräften). «Wir werden jetzt in jeder Sparte verstärkt in die hochmargigen Bereiche gehen», sagt Caille.

Dieser Strategiewechsel ist ein Erfolg für VR-Präsident Klaus J. Jacobs, der über seine Stiftung und seine Familie 16,8 Prozent des Unternehmens kontrolliert. Jahrelang hat er gefordert, Adecco solle sich auf den höhermargigen Bereich spezialisieren. Nicht ohne Grund: Bereits im Jahr 2001 hatten die Berater von McKinsey gewarnt, dass die Vermittlung von reiner Zeitarbeit eine Commodity werden dürfte. Um Umsatz und vor allem Gewinn steigern zu können, solle sich Adecco daher auf Wachstumsbereiche wie beispielsweise Outplacement konzentrieren. Obwohl im VR offiziell beschlossen, scheiterte die Umsetzung dieser Strategie jahrelang am stillen Widerstand von CEO Jérôme Caille und den damaligen VR-Vertretern um Philippe Foriel-Destezet, dem zweiten Grossaktionär der Adecco (18 Prozent). Bis letzten Juni hatten sich die Lager um Jacobs und Foriel-Destezet im Kontrollgremium gegenseitig blockiert und damit Adecco gelähmt. Nun, da das Board mit grösstenteils unabhängigen Mitgliedern neu zusammengesetzt worden ist, geht es vorwärts: «Die Akquisition von Altedia ist der erste Schritt zur Umsetzung der McKinsey-Strategie», sagt ein Mitglied des Verwaltungsrates. Den Kauf schlug Foriel-Destezet selber vor – ausgerechnet er, der nach der Fusion von Adia und Ecco zu Adecco 1996 von Akquisitionen nichts wissen wollte und lieber auf organisches Wachstum setzte.

Möglich wurde der Durchbruch, weil sich die beiden einstigen Widersacher im VR nach den Turbulenzen des letzten Jahres (siehe BILANZ 2 und 3, 2004) nun zusammengerauft haben. Gemeinsam teilen sich Jacobs und Foriel-Destezet nun das VR-Präsidium bei Adecco (Jacobs kümmert sich dabei vorwiegend um strategische Expansionsfragen, während Foriel-Destezet nun das Management in operativen Fragen unterstützt) sowie ein Büro im fünften Stock des Adecco-Sitzes in Glattbrugg bei Zürich. «Es ist jetzt einfacher, strategische Entscheidungen im Board durchzubringen», beschreibt Caille die neue Situation.

Auch mit anderen langjährigen Forderungen hat sich Klaus J. Jacobs nun durchgesetzt: Im Dezember gab Caille die Leitung der Sparte Staffing ab, die mit 89 Prozent Umsatzanteil das Brot-und-Butter-Geschäft der Adecco ist. «Die Adecco-Kultur bedingt, dass auch das Topmanagement nahe an den Kunden ist», sagt Caille. Doch der neue VR, mit Schwergewichten wie ABB-Chef Jürgen Dormann oder dem ehemaligen französischen Wirtschaftsminister Francis Mer bestückt, will nicht, dass Caille seine Zeit weiterhin hauptsächlich für Kundenbesuche verwendet: «In den wirtschaftlich schwierigen Zeiten mag das sinnvoll gewesen sein», heisst es aus dem Board. «Aber jetzt muss er strategische Arbeit abliefern, und das tut er.»

Entsprechend enger ist der Austausch zwischen dem Management und dem Kontrollgremium. Während früher die VR-Mitglieder zum Teil monatelang von wichtigen Managementinformationen abgeschnitten waren, gibt es nun ein monatlich fixes Meeting und in der Regel einmal wöchentlich einen mündlichen Austausch zwischen dem CEO und den beiden Co-Präsidenten. «Ich bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit», sagt Caille. Zur Deblockierung beigetragen haben dürfte auch die Neubesetzung der Konzernleitung: Mit Ekkehard Kuppel (Leitung LHH und Altedia), Manuel Bullukian (Leitung Ajillon) und Finanzchef Jim Fredholm wurden internationale und vor allem externe Manager in das Unternehmen berufen. Von dem ehemaligen Freundeskreis (intern «Latino-Clan» genannt), den Jérôme Caille um sich gescharrt hatte und welcher der Jakobs-Fraktion ein Dorn im Auge war, ist nur noch der Italiener Sergio Picarelli übrig, der seit Dezember die Sparte Staffing leitet.

Auf den ersten Blick sieht auch die Berufung von Ekkehart Kuppel in die Konzernleitung so aus, als würde Klaus Jacobs seinen Einfluss auf Adecco festigen. Aber nur auf den ersten Blick. Zwar hat Kuppel die letzten zwei Jahre bei der Klaus Jacobs AG gearbeitet. Eingestellt wurde er aber von Jacobs’ Sohn Christian Jacobs, damals Chairman des Familienunternehmens. Mit dem Vater hatte Kuppel eher wenig zu tun. Seine Nominierung sei kein Zeichen, dass Klaus Jacobs seinen Einfluss verstärke, so ein VR-Mitglied.

In den letzten drei Jahren ist Adecco umsatzmässig kaum gewachsen und musste Erzkonkurrent Manpower gefährlich nahe an sich herankommen lassen. Der Wirbel um die Sonderprüfung der Buchhalter und die damit verspätete Publikation der Jahresergebnisse 2003 haben nicht nur viel Managementkapazität absorbiert, Adecco musste auch saftige Preisnachlässe gewähren, um in dieser Phase der Unsicherheit keine Kunden zu verlieren. Nun, mit neuer Mannschaft und neuer Strategie, kann Adecco wieder offensiv agieren. «Jetzt gilt es, das Wachstum in andere Geografien zu tragen», sagt Kuppel. Organisch durch neue Büros: Gleich 600 davon will Caille rund um den Globus eröffnen, mit Schwerpunkt in den USA, Indien und Italien. Sie sollen verstärkt hoch qualifizierte (und damit margenstarke) Kandidaten anziehen. Auch mit weiteren Akquisitionen ist zu rechnen, denn im Spezialitätengeschäft ist die Industrie noch wenig konsolidiert. «Selbstverständlich schauen wir uns um, wo wir uns verstärken können», sagt Caille. Eine Milliarde Euro Cash steht ihm dazu zur Verfügung, und weil Adecco die Nettoverschuldung in den letzten Jahren von 2,4 Milliarden auf 700 Millionen Euro reduziert hat, dürften die Banken für eine Akquisition nötigenfalls noch einiges dazugeben.

Die Erwartungen des Verwaltungsrates sind klar: Durch das Ende der Preisnachlässe, die Spezialisierung auf die hochmargigen Bereiche und durch allfällige Akquisitionen müssen sich Umsatz und Rendite in diesem Jahr deutlich verbessern. Nur dann kann es mit dem Aktienkurs, der sich seit dem Absturz letzten Januar kaum erholt hat, wieder bergauf gehen.

Und nur das wird die beiden Grossaktionäre zufrieden stellen. Jerôme Caille ist sich bewusst: «Wenn wir jetzt nicht liefern, gibt es keine Entschuldigung!»