Brainhacking

Neurotechnologie: Die Eroberung des Gehirns

Melanie Loos
Von Melanie Loos
am 03.12.2018 - 08:56 Uhr

Gehirnstimulierung: Per Elektroden am Kopf.

Quelle: Keystone .

Teilen

Merken

Drucken

Article teilen

Die Verschmelzung von Menschen und Maschinen rückt durch Gehirn-Computer-Schnittstellen näher. Gesellschaftliche Risiken sind programmiert.

Grösserer Nutzen in der Medizin

Gleichwohl hat die Neurotechnologie in der Medizin noch einen viel grösseren Nutzen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass die Zahl der Demenzpatienten sich in den nächsten dreissig Jahren verdreifacht: von derzeit 50 Millionen auf rund 150 Millionen im Jahr 2050. Die Behandlungs- und Pflegekosten steigen entsprechend: Allein bis 2030 könnten sich die Kosten auf 2 Billionen Dollar verdoppeln.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Auch für andere neurologische Krankheiten ist das Potenzial riesengross. An Epilepsie sind heute über 50 Millionen Menschen weltweit erkrankt – 40 Prozent reagieren nicht auf Medikamente. Und 300 Millionen Menschen auf der Welt leiden unter Depressionen.Obwohl die meisten Neurotech-Startups aus den USA kommen, gibt es auch in der Schweiz mehrere Unternehmen, die sich der Neurotechnologie widmen (siehe Textkästen). Bei der Finanzierung spielen sie ebenfalls vorne mit: Das Schweizer EPFL-Spin-off Aleva erhielt in den vergangenen Jahren Millionen-Investitionen für die Entwicklung eines Gehirnimplantats zur Behandlung von Parkinson und anderen neurologischen Krankheiten.

Daran arbeiten Schweizer Startups:

Mindmaze (Lausanne): Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten

Technologie Mindmaze kombiniert Neurowissenschaften und VR-Technologie, um Mensch-Maschine-Schnittstellen zu entwickeln. Erstes Produkt ist Mind Motion Pro, das die Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten beschleunigt, indem das neuronale Netzwerk im Gehirn erschlossen wird. 

Gründung Das Neurotech-Unternehmen wurde 2012 vom heutigen CEO Tej Tadi gegründet. Mindmaze war das erste Schweizer Einhorn mit einer Bewertung von einer Milliarde Franken. 

Märkte Das Gerät wurde bei 800 Patienten in neun Ländern eingesetzt. Seit 2014 ist es in Europa zugelassen. Im Juni folgte die FDA-Zulassung für den US-Markt.

Finanzierung 109 Millionen Dollar. 2017 bekam Mindmaze mit Leonardo di Caprio einen prominenten Investor. Bald will das Startup an die Börse. 

Sensars (Lausanne): Neuroprothetik

Technologie Das Startup hat eine Technologie entwickelt, um Menschen nach Amputationen wieder sensorisches Empfinden zu geben. Dabei wird dank einem Nervensensor das Gehirn von Patienten mit Rückenmarkverletzungen stimuliert. Somit wird das Gefühl in den fehlenden Armen oder Beinen amputierter Menschen wiederhergestellt und sogenannte Phantomschmerzen werden gelindert.

Gründung Als Spin-off der EPFL 2014 von Francesco Petrini (CEO) und Stanisa Raspopovic gegründet.

Märkte Das Produkt soll in Europa und den USA vermarktet werden. Es wird noch klinisch getestet, ist bisher nicht zugelassen.

Finanzierung 190 000 Dollar.

Altoida (Luzern): Früherkennung von Alzheimer

Technologie Altoida hat ein Tool zur Früherkennung von Alzheimer entwickelt. Die Smartphone-App diagnostiziert dank Virtual Reality das Risiko von Alzheimer sechs Jahre vor Ausbruch der Krankheit – die Genauigkeit der Prognose soll bei über 90 Prozent liegen. Die Früherkennung hilft, früher mit einer gezielten Alzheimer-Behandlung zu beginnen und den Ausbruch der Symptome hinauszuzögern.

Gründung Das Startup wurde 2016 gegründet und hat mittlerweile auch einen Sitz in San Diego. Gründer und CEO ist Ioannis Tamanas.

Märkte In den USA sind Beta-Tests geplant. Die Technologie ist noch nicht zugelassen.

Finanzierung 1,2 Millionen Franken (Venture Capital). Zudem ist Altoida gerade vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie mit einem Preisgeld von 50 000 Euro ausgezeichnet worden.

GTX Medical (Lausanne): Rehabilitation gelähmter Patienten

Technologie Das Unternehmen entwickelt eine Therapie zur Rehabilitation von querschnittsgelähmten Patienten. Dank einem Rückenmarkimplantat namens Go-2 zur Neurostimulation sollen Patienten wieder lernen zu gehen.

Gründung Als Spin-off der EPFL 2014 von Sjaak Deckers (CEO), Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine gegründet. Firmensitz ist neben Lausanne in Eindhoven.

Märkte Das Produkt soll anfangs vor allem in Europa und den USA vermarktet werden. Geplant ist die Markteinführung zuerst in der Schweiz und den Niederlanden sowie in Deutschland und Frankreich. Erste Tests sind nicht vor 2021 geplant. In vier bis fünf Jahren könnte die Therapie in Europa verfügbar sein. Geplant ist die CE-Kennzeichnung bis 2023.

Finanzierung 36 Millionen Euro (Venture Capital) sowie öffentliche Zuschüsse und Kredite.

Aleva (Lausanne): Neurostimulation

Technologie Aleva entwickelt Gehirnimplantate zur Behandlung von neurologischen Krankheiten wie Parkinson und Tremor. Dabei regen Mini-Elektroden per sogenannter Deep Brain Stimulation gezielte Hirnregionen an.

Gründung Aleva Neurotherapeutics wurde 2008 als Spin-off der EPFL gegründet. Co-Gründer und CEO ist André Mercanzini. 

Märkte Aleva ist zertifiziert für die Herstellung von Medizinprodukten. Klinische Testserfolgten am Inselpital in Bern.

Finanzierung 57 Millionen Dollar hat Aleva bisher an Venture Capital und von Investoren eingesammelt. Auch die Michael J. Fox Foundation fördert das Projekt.

Und das wertvollste Startup des Landes, Mindmaze, ist auch weltweit führend: Kaum ein anderes Neurotech-Unternehmen sammelte so viel Kapital ein wie die Schweizer. Mithilfe von Virtual und Augmented Reality will Mindmaze Schlaganfallpatienten behandeln. Die Technologie soll aber auch im Gaming eingesetzt werden.

Sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen könnten die Medizin revolutionieren, indem sie das Gehirn neurologisch stimulieren und somit das Leben von Menschen mit Erkrankungen wie Alzheimer, den Folgen von Schlaganfällen oder Depressionen verbessern. Doch der Weg vom Labor in die Praxis ist weit – und genau das hat sich das Wyss Center for Bio and Neuroengineering in Genf zur Aufgabe gemacht.

Die vom Unternehmer und Philanthropen Hansjörg Wyss 2013 gegründete Organisation entwickelt solche Hirn-Computer-Schnittstellen. Zwei aktuelle Projekte stechen dabei hervor: Ein hirngesteuerter Arm für gelähmte Menschen und ein Gerät zur Überwachung und besseren Vorhersehbarkeit epileptischer Anfälle.