Die grösste Überraschung war, dass die Überraschung ausblieb. Auf der Einladung zur Generalversammlung der Swisscom vom 6. April fehlt ein Punkt in der Traktandenliste: die Berufung neuer Mitglieder in den Verwaltungsrat. Stattdessen sollen die bisherigen neun Mitglieder an der GV bestätigt werden.
Damit dürfte eine Vorentscheidung gefallen sein um die Nachfolge von VR-Präsident Hansueli Loosli (64), der nächsten Frühling nach zwölf Jahren Amtszeit das Gremium verlassen muss. Alles deutet auf Michael Rechsteiner (57) hin, Europachef des Gaskraftwerkgeschäfts von General Electric (GE) mit Sitz in Baden.
Ausländer ohne Chance
Führungserfahrung als CEO eines grossen Unternehmens ist Voraussetzung für den Swisscom-Posten, ebenso das richtige Alter, eine Frau wäre wünschenswert. Eine gute Kenntnis der politischen Abläufe hierzulande und Vernetzung in Bundesbern sind für den staatsnahen Betrieb (die Eidgenossenschaft hält 51 Prozent der Aktien) mit Grundversorgungsauftrag ebenfalls unabdingbar, womit ein Ausländer de facto keine Chancen hat.
Als Deutscher aus dem Rennen ist damit Vizepräsident Frank Esser ebenso wie die Schwedin Anna Mossberg, deren Führungserfahrung sich zudem auf einen kleinen lokalen Internetanbieter beschränkt.
Roland Abt und Sandra Lathion-Zweifel wurden ins Gremium geholt wegen ihrer Expertise in Finanz- bzw. juristischen Fragen und fallen damit ebenfalls durchs Raster, Gleiches gilt für Gewerkschaftsvertreter Alain Carrupt und Bundesvertreter Renzo Simoni. Barbara Frei, Europachefin des französischen Elektrokonzerns Schneider, steht, wie sie selber sagt, «nicht zur Verfügung».
Rechsteiner, gebürtiger Appenzeller und wohnhaft in Oberweningen ZH, bringt die nötige Führungserfahrung mit, kennt das Infrastruktur- und Servicegeschäft und hat als ETH-Ingenieur breites technisches Wissen.
«Es gibt keinen Entscheid dazu»
«Swisscom ist eine Schweizer Ikone mit unglaublich starker Marke», sagt er selber. «Ich kann mich total mit diesem Unternehmen identifizieren.» Zu einer Loosli-Nachfolge will er sich nicht äussern: «Es gibt keinen Entscheid dazu.»
Allenfalls theoretisch ist die Möglichkeit, dass an der GV 2021 ein neues Mitglied bestellt und gleich zum Präsidenten gewählt wird – dies ist in der freien Wirtschaft schon sehr ungern gesehen, bei einem Quasi-Staatsbetrieb fast undenkbar.
Dass Loosli noch ein Jahr dranhängt, ist ebenfalls unwahrscheinlich: Eine Verlängerung der maximalen Amtszeit von zwölf Jahren ist nur in Ausnahmefällen möglich und muss von den Aktionären genehmigt werden. Selbst die Corona-Krise dürfte dafür kaum reichen, ist die Swisscom als Infrastrukturprovider doch relativ wenig betroffen.