Das Schweizer Erbrecht – es ist teilweise über hundertjährig, und man merkt es ihm an. Beispielsweise ist das aktuelle Erbrecht im Thema Unternehmensnachfolge ziemlich KMU-unfreundlich, namentlich für Familienunternehmen. Immerhin: Per 1. Januar nächsten Jahres treten Neuerungen in Kraft, die in die richtige Richtung gehen, aber immer noch nicht ausreichend sind. 

So gelten neue Regeln für die Pflichtteile einer Erbschaft, wenn gesetzliche Erben vorhanden sind (unter dem aktuellen Recht sind Nachkommen, Ehegatten oder eingetragene/r Partner/in sowie die Eltern pflichtteilsberechtigt). Statt wie bisher 50 bis 75 Prozent des gesetzlichen Erbteils betragen die Pflichtteile künftig stets 50 Prozent. Zudem wird der Pflichtteil der Eltern ganz abgeschafft. Eine Erblasserin kann somit bei Vorhandensein von Pflichtteilserbinnen neu im Minimum – statt im Maximum – über den halben Nachlass völlig frei verfügen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Was bedeutet das für die Nachfolgeregelung, beispielsweise in Familienunternehmen? 

Eine Unternehmerin mit Kindern hat ab 2023 mehr Gestaltungsfreiheit in der Nachlassplanung: Ob mit oder ohne überlebenden Ehegatten – ab 2023 kann die Erblasserin über die Hälfte ihres Nachlasses frei verfügen. Das ist bis zu doppelt so viel wie bisher. Bei Kinderlosigkeit, aber mit überlebenden Eltern und Ehegatten kann die Erblasserin gar mehr als die Hälfte – nämlich fünf Achtel – des Nachlasses frei vermachen. Überleben nur die Eltern, gibt es ab nächstem Jahr wie erwähnt gar keine Pflichtteile mehr. Die Erblasserin ist dann völlig frei in der Aufteilung ihres Nachlasses. 

Mehr über den Autor

Werner Jahnel ist Experte für internationales Familien- und Erbrecht und Partner bei LALIVE Rechtsanwälte.

Dies alles vereinfacht es einer Unternehmerin, das eigene Geschäft möglichst integral einer Nachfolge zu übergeben. Doch «vereinfachen» ist nicht gleichbedeutend mit «ermöglichen». 

Gerade bei Familienunternehmerinnen steckt vielfach ein derart grosser Anteil eigenen Vermögens im Unternehmen, dass die integrale Übergabe an eine einzige Erbin die Pflichtteile anderer Erben verletzt. Wenn diese dagegen klagen, muss die Unternehmensnachfolgerin den Miterben deren Pflichtteile ausbezahlen. Diese Zahlungspflicht kann das Fortbestehen des Unternehmens erschweren oder gar gefährden. Schliesslich fehlen nicht selten die Mittel für derartig grosse Zahlungen. Resultat: Die Unternehmensnachfolgerin muss das übernommene Geschäft ganz oder teilweise verkaufen.  

Das gefährdet nicht zuletzt auch Arbeitsplätze. Denn laut Bundesamt für Justiz stehen jedes Jahr bis zu 16’000 Unternehmen vor der Frage einer Nachfolgeregelung. 20 bis 25 Prozent davon hätten wegen des Erbrechts potenziell Finanzierungsprobleme. 

Umso wichtiger ist darum der Vorschlag des Bundesrates für eine weitere Revision des Erbrechts. Demnach soll beispielsweise eine Erbin verlangen können, das Unternehmen integral zu erhalten, auch wenn die Erblasserin nichts dergleichen vorgesehen hatte. Im Streitfall entscheidet das Gericht.  

Auch soll es einen Zahlungsaufschub geben für die Erbin, welche das Unternehmen übernimmt. Ihre Miterben sollen warten müssen, bis sie ihren Pflichtteil erhalten, so wie dies beispielsweise in Österreich bereits seit 2017 gilt. 

Solche Neuerungen sind sehr zu begrüssen, und es ist zu hoffen, dass sie bald zu geltendem Recht werden. Im bäuerlichen Bodenrecht gibt es heute schon Schutzbestimmungen, welche Bauernhöfe davor schützen, durch Erbgänge zerstückelt zu werden. Das sollte auch für KMU gelten. Es kann nicht im Interesse der Schweizer Volkswirtschaft sein, dass Jahr für Jahr 48’000 Arbeitsplätze wegen Erbgängen in Gefahr geraten.