Zunehmend werden Führungskräfte in Wirtschaft und Politik angezählt und müssen ihren Spitzenposten räumen. Nicht wegen fehlender fachlicher Kompetenzen, sondern wegen Verstössen gegen Grundsätze, Regeln und Ordnungen. Seitensprünge, Spionageaffären, nicht adäquater Führungsstil, Übergriffe oder justiziables Verhalten stehen dann im öffentlichen Leumundszeugnis. Das führt in den betroffenen Unternehmen und Institutionen und bei den Mitarbeitenden zu belastenden Situationen und veritablen Glaubwürdigkeitskrisen. Die Unternehmensführung gerät aus dem Gleichgewicht, dazu gesellen sich meistens beträchtliche Kostenfolgen. Und das alles ist bestimmt nicht im Sinne der Firmeneigentümer.

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Meist steht am Ursprung ein Fehlverhalten, das oder dessen Anbahnung zumindest im kleinen Kreis schon länger bekannt ist. Dem Fehlverhalten folgt die – verblüffende – Fehleinschätzung, denn in der heutigen Welt lässt sich ein Fauxpax nicht lange unter dem Deckel halten.

Werner Raschle ist Inhaber und Chef des schweizweit tätigen Professional und Executive Search-Unternehmens Consult & Pepper.

Doch der Anfang allen Übels liegt im Rekrutierungsprozess für Führungspositionen. Was läuft schief? Warum bleibt bei Topshots vor der Anstellung unbeachtet oder unbemerkt, was im Nachgang soviel Staub aufwirbelt und grosse – auch persönliche – Konsequenzen nach sich zieht? 

Im Executive Search werden der bisherige Werdegang, die fachliche Eignung und das Erfolgspotenzial von Kandidatinnen und Kandidaten durchaus ernsthaft und oft umfassend geprüft. Und doch muss die Suche von Führungskräften – das sogenannte Headhunting – neu gedacht und erweitert werden. Denn ab einer Führungsstufe, auf der ein Kandidat oder eine Kandidatin strategischen und operativen Einfluss hat, reichen die Überprüfung des CV, das Abholen von offiziellen Referenzen sowie ein durchschnittliches Assessment nicht. Gerade dann nicht, wenn verschiedene Interessen und Beziehungen bei der Stellenbesetzung mit im Spiel sind.

Das Executive Search muss eine Carte Blanche erhalten, die Referenzen ermöglicht, welche ohne Rücksprache eingeholt werden können. Die Rekrutierung von Führungspersonal muss also – notabene mit dem Einverständnis der Kandidatinnen und Kandidaten – investigativer werden. So muss im Vorfeld einer Anstellung auf Managementebene das persönliche Umfeld mit einbezogen werden können, muss das individuelle Verhalten und die charakterlichen Eigenschaften hartnäckig und im Detail untersucht werden können. Hierfür sind Gespräche nötig mit unterschiedlichen Wegbegleitern, die in unterschiedlichen beruflichen und privaten Beziehungen zu den Aspirantinnen und Aspiranten stehen. Und wenn Führung relevant ist – was meistens der Fall ist – muss auch mit früheren oder aktuellen Untergebenen gesprochen werden können.

Das Private ist in der obersten Führung von Unternehmen nicht immer privat

Heute sind bei der Kandidatensuche infolge von gesetzlichen Halbregelungen wie Gerichtsentscheiden und Usanzen persönliche Fragen bei Interviews stark limitiert und verdeckte Erkundigungen nicht erlaubt. Persönlichkeitseigenschaften können so nicht auf Herz und Nieren und abschliessend geprüft werden. Um aber Sicherheit über eine genügende Integrität der Führungskraft zu erhalten, müssen zweifelhafte Einschränkungen bei der Informationssammlung im Vorfeld der Anstellung ausser Kraft gesetzt werden.

Denn das Private ist in der obersten Führung von Unternehmen nicht immer rein privat und oft mit weitergehenden Konsequenzen für die Firma oder die Institution verbunden. Zusätzliche Investigationsmöglichkeiten sind im Interesse des Unternehmens, der Eigentümer und nicht zuletzt der Kandidatinnen und Kandidaten, die so nicht zum Spielball von übergeordneten Interessen werden und zugleich vor schmerzhaften Entblössungen in der Öffentlichkeit geschützt werden können.