Die Diskussion rund um die Viertagewoche schwappt wieder hoch. Betont wird die verbesserte Produktivität; die Mitarbeitenden seien fokussierter und effizienter, wenn sie weniger lange arbeiten. Das wirft die Frage auf, warum man bei fünf Tagen nicht ebenfalls fokussiert und effizient sein kann? Es geht ja nicht darum, den Stress zu erhöhen, um nach vier Tagen die Erholung einzuleiten. Es muss darum gehen, dauerhaft gute Leistung zu erbringen und dabei gesund zu bleiben. Kurzfristig mag eine verkürzte Woche die Produktivität erhöhen, aber mittel- und langfristig stellt sich derselbe Alltag und damit der gleiche «Schlendrian» wieder ein.

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Die Gastautorin

Katja Unkel ist Gründerin der Firma Managing People AG, die Führungskräfte und Organisationen berät, coacht und trainiert.

Anhängerinnen und Anhänger der Viertagewoche postulieren, dass sie die Work-Life-Balance verbessere. Der Begriff täuscht: Er separiert Arbeit (work) vom Leben (life), dabei ist Arbeit ein Teil des Lebens. Man erliegt dem Irrtum, dass weniger Arbeit mehr Lebensqualität bedeutet. Das ist jedoch nicht der Fall. Mehr Freizeit muss man sich allem voran leisten können. In der Regel heisst weniger arbeiten auch weniger verdienen.

Was in der Diskussion völlig wegfällt, ist, dass Arbeit Freude machen kann und Sinn stiftet. Menschen brauchen einen Grund im Leben, ein Warum. Das wusste schon Nietzsche: «Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.» Menschen suchen in ihrem Leben einen Sinn, das hat der Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl hinreichend untersucht und bewiesen. Eine Aufgabe – und somit die Arbeit – ist hierbei eine Möglichkeit, Sinn zu finden. Es geht um das Schöpferische, das Kreative, das Schaffende in jeglicher Art, das eine Quelle von Sinn ist. Man will zudem gebraucht werden. Auch die Erlebniswerte in den zwischenmenschlichen Beziehungen, dass man Teil eines Teams ist und einer Gemeinschaft angehört: Das alles sind Möglichkeiten, auf ganz alltägliche Art notwendigen Sinn zu erfahren.

«Ein Umdenken in Sachen Arbeit ist notwendig, das Mindset muss sich ändern.»

Die steigende Zahl von Menschen mit psychischen Problemen ist alarmierend. Kommt hinzu, dass nicht wenige dieser Menschen an den schönsten Orten leben, physisch gesund und vermögend sind – und trotzdem nicht glücklich. Ein Umdenken in Sachen Arbeit ist notwendig, das Mindset muss sich ändern. Arbeit kann erfüllend sein, wenn ich beispielsweise dank meinem Einsatz ein Leben rette, wenn das Management aufgrund meiner Zahlenanalyse wichtige Entscheidungen trifft oder wenn sich ein Gast im Restaurant aufgrund meiner Servicequalitäten sehr wohlfühlt.

Führungskräfte müssen jedem und jeder Mitarbeitenden den individuellen Beitrag aufzeigen. Das ist besonders wichtig, wenn die Aufgabe an sich abstrakt oder eintönig ist. Kenne ich meinen Beitrag, kann sich Sinn entfalten, der stärker ist als die aktuellen Turbulenzen. Es ist der Anfang von gelebter Menschlichkeit, Zusammengehörigkeit, Freude und Motivation. Und das wäre an fünf Tagen sogar besser als nur an vier.