Die Dynamik der Arbeitsmärkte hat sich in den letzten Jahren weltweit, aber auch speziell in der Schweiz stark verändert. Die Nachfrage nach Fachkräften in Bereichen wie IT, Ingenieurwesen oder im Gesundheitswesen ist so stark wie noch nie in der Geschichte.

Auf der Angebotsseite jedoch erleben Industrieländer einen kontinuierlichen Rückgang der Arbeitnehmerschaft aufgrund der Alterung der Bevölkerung und eines neuen Phänomens namens «The Great Resignation»: Immer mehr Arbeitnehmende entscheiden sich bewusst, wo und weshalb sie für ein Unternehmen arbeiten. Und treten daher zum Teil freiwillig von ihrem Arbeitsplatz zurück. Es wird nach einem sinnvollen Purpose gesucht.

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Unter diesen aktuellen Arbeitsmarktumständen werden Talente zu einer kritischen und knappen Ressource. Arbeitgeber, die Talente anziehen und mit attraktiven Konditionen und einer sinnvollen Aufgabe an sich binden können, haben einen relevanten Wettbewerbsvorteil.

EqualVoice
Taten statt Quoten

Die Ringier-Initiative treibt die Gleichstellung von Männern und Frauen voran.

Ungenutztes Potenzial

Der Arbeitskräftemangel ist auf einem Zwanzigjahreshoch – gemäss Bundesamt für Statistik waren Ende 2022 120 000 Arbeitsstellen in der Schweiz unbesetzt. Gleichzeitig erreicht die Schweiz mit nur 2,1 Prozent den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit zwei Jahrzehnten.

Die Schweiz steht also vor einem noch nie dagewesenen Talentmangel – und nutzt dennoch ihren weiblichen Talentpool nicht voll aus. Aus diesem Grund hat «EqualVoice» gemeinsam mit der Boston Consulting Group eine Analyse des Schweizer Arbeitsmarkts vorgenommen (siehe Box rechts). Was bedeuten diese Zahlen nun für uns Leaderinnen und Leader in der Schweiz? Ich persönlich frage mich immer wieder, wie lange wir noch zuschauen wollen, bis wir alle die Konsequenzen des (Fach-)Kräftemangels spüren. Warum handeln wir nicht jetzt?

Drei Ansätze für mehr Diversität

Um das Wirtschaftswachstum zu sichern und anzukurbeln, sollten Schweizer Unternehmen einen stärkeren Einbezug von Frauen in ihre Belegschaft anstreben, insbesondere in Anbetracht der alternden Bevölkerung und des Arbeitskräftemangels durch die in Rente gehenden Babyboomer. Doch wie kann dies erreicht werden? Ich sehe drei mögliche Anknüpfungspunkte:

  • Ansätze in der Politik: Gemäss Bundesamt für Statistik besuchen rund 35 Prozent der Kinder in der Schweiz eine Kindertagesstätte oder eine schulergänzende Betreuungseinrichtung. Diese Zahl ist im internationalen Vergleich tief und zeigt das Problem auf: Wir brauchen eine flächendeckende und erschwingliche Kindertagesbetreuung und obligatorische Ganztagsschulen. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt in der Politik ist die Einführung der Individualbesteuerung – es ist höchste Zeit, die Heiratsstrafe abzuschaffen.
     
  • Ansätze in der Wirtschaft: Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, um den Fachkräftemangel zu reduzieren. Mehrere Studien zeigen den positiven Zusammenhang zwischen einer Purpose-driven Unternehmenskultur und einem stärkeren Mitarbeitendenengagement. Wir müssen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Andersartigkeit nicht als Makel, sondern als Bereicherung gesehen wird. Flexible Arbeitsmodelle ermöglichen allen Angestellten – nicht nur Eltern – eine gute Work-Life-Inklusion.
     
  • Ansätze im persönlichen Bereich: Wir können uns nicht nur darauf verlassen, dass Politik und Wirtschaftsunternehmen das Problem für die Gesellschaft lösen. Wir alle können in unserem persönlichen Gestaltungsbereich Einfluss nehmen. Als Leaderinnen und Leader ist es unsere Verantwortung, genau hinzuhören und allen eine Stimme zu geben. Wir alle müssen Vorbilder sein und eine diverse und inklusive Arbeits- und Firmenkultur vorleben. Nur wenn wir authentisch unsere Werte vertreten und vorleben, können wir die Gesellschaft verändern. Dazu gehört für mich, dass auch ich als CFO zu gewissen Tageszeiten nicht erreichbar bin, da ich dann Zeit mit meinem Sohn verbringe. Diese Flexibilität ermögliche ich auch meinem Team, höre genau hin, und gemeinsam finden wir individuelle Lösungen je nach Bedürfnis.

Konsequente Umsetzung wichtig

Als Arbeitgeberin ist es in der heutigen Zeit essenziell, diese Punkte in Organisations-, Prozess- und Unternehmensfragen mit einzubeziehen: Diversity & Inclusion ist konsequent intern zu leben. Diversity & Inclusion ist kein Nice-to-have mehr, sondern ein Must-have, um Innovation zu treiben.

Und zum Ende noch ein persönlicher Gedanke: Ich bin überzeugt, dass wir uns nicht in Quotendiskussionen verheddern sollten, denn nicht Quoten sind ausschlaggebend für die Umsetzung diverser Teams, sondern vor allem attraktive und flexible Arbeitsumfelder. Let us all have an equal voice!

​Aufschlussreiches Whitepaper

EqualVoice und die Boston Consulting Group haben den Schweizer Arbeitsmarkt unter die Lupe genommen. Die Learnings aus dem Whitepaper «What keeps women away from the labor force in Switzerland and how to change it?»:

  • Die Schweiz gehört zu den Spitzenreiterinnen bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Europa: 61,9 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter sind erwerbstätig. Bei den Männern sind es 72,4 Prozent – nur 10,5 Prozent mehr.
  • Drei von fünf erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit. Hingegen arbeitet nur einer von fünf Männern mit reduziertem Pensum.
  • Zwei von fünf unterbeschäftigten Frauen würden gerne Vollzeit arbeiten, der Rest – drei von fünf – würde gerne ihre Teilzeitarbeit erhöhen – vor allem Mütter.
  • Die weibliche Belegschaft in der Schweiz legt Wert auf Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeiten: Sie bevorzugt eine hybride Arbeitsform (72 Prozent) und eine Teil-zeitbeschäftigung (51 Prozent).
  • Ähnlich wie bei den globalen Trends legen die meisten Frauen (75 Prozent) in der Schweiz Wert auf stabile Arbeitsplätze, welche Zeit für Familie, Freunde und Hobbys lassen. Diese Tendenz gilt auch für eine Mehrheit der Männer (63 Prozent) und wird nicht von Alter oder Bildungsniveau beeinflusst.
  • Zwei von fünf Frauen würden ein attraktives Stellenangebot ablehnen, wenn sie davor negative Erfahrungen bei der Rekrutierung gemacht hätten.
  •  Die Übereinstimmung der Unternehmenswerte mit den persönlichen Werten ist für Frauen in der Schweiz der zweitwichtigste Job-Dealbreaker (von den Top Fünf), gleich nach der Work-Life-Balance und noch vor der Wertschätzung der geleisteten Arbeit.
  • Frauen legen Wert auf den Arbeitsinhalt. In der Schweiz wollen mehr Frauen (30 Prozent) als im Ausland (23 Prozent) an interessanten Produkten, Themen und Technologien arbeiten, insbesondere Frauen mit hohem Bildungsgrad (43 Prozent) und weibliche Führungskräfte (36 Prozent).