Die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Diversity und Vielfalt ist unbestritten. Die Welt ist vielschichtig, entsprechend müssen Firmen auch so aufgestellt sein. Diversity ist kein Buzzword mehr, sondern in Unternehmen längst Realität geworden. Umso mehr verwundert es, dass die notwendigen Voraussetzungen und Anforderungen zum Gelingen von Vielfalt zu wenig berücksichtigt werden. Man meint, dass sich die Vorteile von unterschiedlichen Kompetenzen, Fachrichtungen, Erfahrungen und Sichtweisen automatisch ergeben. Dass dazu ein «buntes» Team reiche – doch das ist ein Irrglaube.
Ein Blick in die Diversity-Realität zeigt: Die Kommunikation wird schwierig und missverständlich. Konflikte und Missstimmungen entstehen. Entscheidungen dauern länger. Wir sind genervt, und man hört: Herr M. ist so kompliziert, Frau B. zu wenig eigeninitiativ und das Team Süd konstant unzuverlässig. Was ist passiert?
So gut Diversity klingt: Wir vergessen, dass Anderssein bedeutet, dass jemand eben genau nicht so ist wie wir selbst. Natürlich wissen wir alle, dass jeder Mensch einzigartig ist und es keine zwei gleichen gibt. Unbewusst – und besonders im stressigen Büroalltag – arbeiten wir jedoch lieber mit Varianten des «Mini-Me» zusammen. Wir präferieren Menschen, die so ticken wie wir selbst. Dann wäre vieles einfacher und schneller – so die Überzeugung.
Die Gastautorin
Katja Unkel berät, coacht und trainiert Führungskräfte und Organisationen mit ihrer Firma Managing People.
Diese teils unbewusste Haltung prägt unser Denken und Handeln – und hindert uns daran, wirklich divers zu sein. Diversity leben heisst mehr als nur die Unterschiedlichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Man muss sie verinnerlichen. Das fängt mit der Grundeinstellung und Geisteshaltung an. Das eigene «Mindset» muss sein: «Ich bin okay, du bist okay.» Dieser Satz von Eric Berne bringt es auf den Punkt. Er ist Grundlage für eine funktionierende Kommunikation und gute Zusammenarbeit – allerdings nur, wenn er ehrlich gemeint ist.
Doch Hand aufs Herz! Wie oft denken wir: «Ich bin okay – du bist nicht okay.» Man hängt an der eigenen Meinung, hört anderen zwar zu, aber nimmt das Gesagte nicht auf. Meine Haltung sendet zudem Signale. In dem Fall fühlt sich das Gegenüber abgewertet. Es mögen Nuancen sein, die ungewollt passieren, doch selbst in simulierten Gesprächen lässt sich erkennen, ob ein Gesprächspartner dieses «Du bist nicht okay» im Kopf hat. Das Gespräch verläuft holpriger, die Lösungsfindung gestaltet sich schwieriger, und die gewünschten Ergebnisse werden nicht erreicht.
Eine positive und konstruktive Grundhaltung des «Ich bin okay, du bist okay» verhindert vielleicht nicht einen Kultur- oder Gender-Lapsus, es schwächt ihn aber deutlich ab. Dieses Mindset hat auch nichts mit Mögen und Sympathien zu tun. Es geht um echte Professionalität und Sachlichkeit und um gelebte Toleranz im Arbeitsumfeld. Dazu ist ein ernsthaftes Reflektieren erforderlich. Die Barriere des «Du bist nicht okay» in meinem Kopf muss weg. Dann können «bunte» Teams ihr Diversity-Potenzial entfalten.