Das Schweizerkreuz im Logo, das Wortfragment «admin» in der Webadresse – das Vergleichsportal Krankenkassenadmin.ch gibt sich öffentlich-rechtlich und damit neutral. Das weckt Vertrauen und lässt die Vermutung aufkommen, dass seine Berater unabhängig sind. Und damit also diejenigen Versicherungen verkaufen, die für die Versicherten am besten und preisgünstigsten sind, und nicht jene, für die sie die höchste Vermittlungsprämie erhalten. 

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Also flugs das Kontaktformular für eine Beratung ausfüllen. Innert Kürze melden sich vier verschiedene Agenten, die irritierenderweise voneinander nichts wissen. Jeder drängt sofort auf eine Beratung, per Telefon, persönlich bei einem Treffen oder über Zoom.  

Mit dem Bund hat die Website laut Bundesamt für Gesundheit allerdings herzlich wenig zu tun. Für ihren Betrieb ist vielmehr eine IT-Firma namens NextGen Technology verantwortlich. Ein Blick ins Handelsregister zeigt: In deren Verwaltungsrat sitzen zwei Visana-Topmanager. Es handelt sich um den obersten Finanzchef und den Leiter Vertrieb und Marketing Privatkunden. Ebenso Einsitz hat eine Visana-Verwaltungsrätin. 

Visana statt Eidgenossenschaft 

Dieselben drei Visana-Vertreter sitzen auch im Vorstand der Firma SSM Partner, eines Callcenters für Versicherungsbroker. Zwei der vier Telefonnummern, mit denen die Versicherungsberater angerufen hatten, sind auf diese Firma eingetragen, bei den anderen handelte es sich um Handynummern. 

SSM Partner und NextGen Technology haben ihren Sitz an derselben Adresse in Ebikon LU. Alleiniger Besitzer der SSM Partner ist laut Handelsregister Visana. Auch an NextGen Technology halte man eine Beteiligung, lässt Visana auf Nachfrage verlauten. Es sei bei qualifizierten Beteiligungen üblich, dass Vertreter der Besitzerunternehmen im Verwaltungsrat Einsitz nehmen.

«Dass Visana als eine der grossen Schweizer Krankenkassen ein Vergleichsportal betreibt, das den Anschein erweckt, vom Bund unterhalten zu sein, macht mich sprachlos», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Schweizer Konsumentenschutzes. «Genauso wie der Umstand, dass die Beratungsgespräche durch Berater einer Visana-Tochter durchgeführt werden, ohne dies zu deklarieren.» 

Zweifel an der Unabhängigkeit

Tatsächlich dürfen Zweifel an der Unabhängigkeit der Beratung durch den Versicherungsagenten von SSM Partner aufkommen. Nach einem 25 Minuten langen Gespräch, in dessen Verlauf der Broker zwischen Angeboten für Grund- und Zusatzversicherungen hin und her laviert, rät er zu einer Lösung von – wenig erstaunlich – Visana. Darin enthalten ist auch eine Zusatzversicherung, obwohl abgemacht war, dass es nur um die Grundversicherung gehen sollte. Dass sein Arbeitgeber eine Visana-Tochter ist, erwähnt er zu keinem Zeitpunkt. 

«Der Verkäufer hätte gemäss der gesetzlichen Informationspflicht schon zu Anfang des Gesprächs sagen müssen, für welche Versicherungsgesellschaften er arbeitet», sagt Konsumentenschützerin Stalder. «Ich bin deshalb der festen Überzeugung, dass es am sinnvollsten wäre, wenn alle Verkaufsgespräche zu Beweiszwecken aufgezeichnet werden müssten.»

Visana will nachbessern 

Den Vorwurf, dass der Bezug zu Visana auf der Website nicht sofort ersichtlich sei, müsse man sich gefallen lassen. «Die Website werden wir deshalb mit einem entsprechenden Hinweis ergänzen.» Auf das Verhalten der SSM-Broker angesprochen, erklärt Visana nur so viel: «Dass sich mehrere Versicherungsberater bei potenziellen Kundinnen und Kunden für eine Terminvereinbarung melden, zeugt vielleicht nicht von einem optimalen Kontaktmanagement, aber in jedem Fall von den Bemühungen, alle Interessenten ernst zu nehmen und rasch bedienen zu wollen.»

Zum Umstand, dass der Berater jegliche Transparenz hinsichtlich seines Verhältnisses zu Visana vermissen liess, nahm die Krankenkasse keine Stellung. 

Sara Stalder, Geschaeftsleiterin der Stiftung fuer Konsumentenschutz (SKS), spricht waehrend einer Medienkonferenz zum Referendum "Nein zur willkuerlichen Ueberwachung von Versicherten", am Montag, 15. Oktober 2018 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung fuer Konsumentenschutz (SKS).

Quelle: Keystone

Dass eine Krankenkasse eine eigene Broker-Firma besitzt, ist ein eher neues Phänomen. Der Hintergrund: Anfang 2021 führte die Branche auf Druck von Konsumentenschützern eine Branchenvereinbarung gegen die sogenannte Kaltakquise ein. Dabei rufen Versicherungsagenten willkürlich und meist unerwünscht potentielle Neukunden an und versuchen, sie in ein Verkaufsgespräch zu verwickeln. Zudem wurden die Provisionen für die Vermittler auf 70 Franken pro Abschluss in der Grundversicherung gedeckelt. Um diese Regelungen zu umgehen, haben verschiedene Krankenkassen kurzerhand Vermittlerfirmen, wie es SSM Partner eine ist, ganz oder teilweise gekauft.

Seco könnte Sachverhalt prüfen 

Seco-Sprecherin Livia Willi sagt dazu auf Anfrage: «Das Verschweigen von Angaben über den Betreiber einer Website kann je nach Umständen unrichtige und irreführende Angaben über das Unternehmen und dessen Geschäftsverhältnisse und deren Dienstleistungen und Preise darstellen.» Entscheidend sei der Gesamteindruck, der bei den Durchschnittskonsumenten aufgrund der Ausgestaltung und des Webseiteninhalts entstehe. 

Wird das Seco in diesem Fall aktiv? «Grundsätzlich gilt: Sobald das Seco eine grössere Anzahl an Beschwerden wegen unlauterer Geschäftspraktiken gegen ein Unternehmen erhält, kann es den Sachverhalt genauer prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte ergreifen», so Willi. 

Nach Erscheinen dieses Artikels hat Visana auf Krankenkassenadmin.ch unter «Wer wir sind» endlich deklariert, dass die Website zur Visana Gruppe gehört. In zierlicher Schrift steht da gut versorgt: «krankenkassenadmin.ch ist ein Vergleichsportal der Visana-Gruppe».

Dieser Artikel erschien zuerst beim Beobachter unter dem Titel «Unabhängige Beratung? Fehlanzeige!».