Haben Männer heute schlechtere Chancen auf Topposten? Rechnerisch betrachtet ist das so. Noch 2017 gingen von rund 1400 Verwaltungsratssitzen in den grössten Schweizer Firmen fast 1200 an Männer. Dieses Jahr waren es gerade noch 1080 Sitze, wie die Zahlen von Guido Schilling für die «Handelszeitung» belegen.
Spitz formuliert ist ein Verteilungskampf im Gange und der Kuchen wird anders vergeben. Mehr und mehr Sitze in Verwaltungsräten (VR) gehen an Frauen – eine langsame, aber stetige Entwicklung. Sollten die neuen gesetzlichen Vorgaben für börsenkotierte Firmen das Tempo in der Gleichstellung tatsächlich beschleunigen, sitzen in wenigen Jahren keine 1000 Männer mehr in den VR der grössten 180 Schweizer Firmen. Und auch in den Geschäftsleitungen müssen Männer Platz machen.
Gleichstellung kann persönliche Härten für Männer bedeuten
Diese Perspektive kann Ängste auslösen, Ärger und Ablehnung. Und sie wirft Fragen auf. Zum Beispiel die, ob Frauen mittlerweile zu stark gefördert werden. Die Titelgeschichte der «NZZ am Sonntag» diskutierte dies und berichtet von Männern, die fürchten, keine Chance mehr zu haben, wenn sich auf die gleiche Stelle eine Frau bewirbt. Sie werden es mir nachsehen, wenn ich sage: An dieser Stelle im Text habe ich herzhaft gelacht.
Auch ich kenne Beispiele, bei denen die Gleichstellung persönliche Härten für Männer zur Folge hatte. Es tat mir leid, als sich ein guter Freund von mir vor einigen Jahren auf eine Stelle als Sportredaktor bewarb und die Stelle an eine Frau ging. Die Chefredaktion wollte mehr Frauen im Team, aber auch mein Freund hatte viel in seine Ausbildung investiert und jahrelang an Abenden und Wochenenden geackert. War diese Entscheidung nun fair?
Bei allem Verständnis für die persönliche Härte für meinen Freund: Die Kollegin war die erste Frau im besagten Sportressort und sie macht dort auch heute noch einen Topjob. Und wenn Männer sich sorgen, dass die Frauenförderung ihnen die Jobchancen nimmt, kann ich sie mit Zahlen beruhigen. Denn selbst wenn, zum Beispiel, die Entwicklung in den Verwaltungsräten den günstigsten Verlauf nimmt, werden Männer auch in fünf Jahren noch mehr als doppelt so gute Chancen auf ein Mandat haben wie Frauen.
Das verstärkt den Eindruck, dass die Skepsis gegenüber eines vermeintlich «zu raschen» Aufstiegs der Frauen in der Haltung wurzelt, die Berufswelt gehöre (eigentlich) den Männern. Frauen dürfen zwar mitmischen. Aber eben, in Ausnahmefällen, wenn besagte Frauen sehr, sehr gut sind. Nicht in der Breite – und schon gar nicht, wenn sie einfach nur genauso gut sind wie ihre männlichen Konkurrenten.
Wer wirtschaftlich agiert, hat sich dem Wandel längst geöffnet
Eine solche Geisteshaltung bedeutet ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Vielfach ist bewiesen, dass Unternehmen mit gemischten Teams besser wirtschaften. Wenn also ein Unternehmen ökonomisch sinnvoll agieren möchte, hat es sich dem Wandel längst geöffnet oder sollte dies schleunigst tun.