Der Nationalrat will die Lohngleichheit von Frau und Mann per Gesetz befehlen und Firmen bestrafen, die ihm nicht gehorchen. Dabei misst er «Gleichheit» falsch. Vernünftige Stundenlohnvergleiche müssen Treiber wie Erfahrung, Ausbildung, Funktion, Branche und so weiter berücksichtigen.
Für die Schweiz finden entsprechende Studien «unerklärte Lohnunterschiede» von 7 bis 9 Prozent. Sie vernachlässigen aber wichtige Aspekte der Arbeits- und Firmeneigenschaften. Zu deren Berücksichtigung braucht es Lohnanalysen innerhalb von Firmen. Sie finden für die Schweiz Lohnunterschiede von 1 bis 4 Prozent.
Doch auch diese Studien zielen so wie die gesamte politische Diskussion auf ein fragwürdiges Gleichheitsmass. Sie fokussieren auf den Lohn pro Arbeitszeit. Für die Arbeitnehmenden relevant ist aber eher der Lohn im Verhältnis zum gesamten Arbeitsaufwand, also auch die zeitlichen, psychischen und finanziellen Kosten für den Arbeitsweg.
Für Frauen sind im Durchschnitt kurze Pendelwege wichtiger, und der Lohnsatz ist weniger wichtig als für Männer. Kurze Pendelwege dienen der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, und Zweitverdienereinkommen werden besonders hart besteuert, mehr «Freizeit» dank kurzen Pendelwegen aber nicht.
Der Weg macht den Unterschied
Entsprechend haben Frauen im Durchschnitt einen kleineren Stellensuchperimeter als Männer, und sie ziehen öfter eine nähere Stelle mit tieferem Lohn einer entfernteren mit höherem Lohn vor. Als Folge haben Frauen tiefere Löhne pro Arbeitsstunde als Männer. Aber sie haben eben auch kürzere Arbeitswege. Damit ist der Unterschied zu Männern bei der für sie entscheidende Grösse – dem Lohn pro Arbeitsaufwand gemessen als Summe von Arbeitszeit, Arbeitswegzeit und Arbeitswegkosten – deutlich geringer als der Unterschied allein im Lohn.
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich Zeit und Kosten für den Arbeitsweg sind noch viel zu wenig erforscht. Die verfügbaren Daten zeigen aber, dass die Wege von Frauen zeitlich und distanzmässig kürzer als die von Männern sind, und lassen vermuten, dass die Wegzeit- und Wegkostenunterschiede 2 bis 3 Prozentpunkte der Lohnunterschiede kompensieren. Hinzu kommt, dass auch allfällige verbleibende Lohnunterschiede das Ergebnis freiwilliger Entscheidungen für kürzere Wege statt höherer Löhne sein können.
Verglichen mit den innerhalb von Firmen gemessenen Unterschiede ist der Wegeffekt also höchst relevant und könnte die Lohnungleichheit weitgehend erklären. So oder so bringt Politik, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit erzwingt, keine Gerechtigkeit, sondern wahre Diskriminierung: gleichen Lohn für ungleichen Arbeitsaufwand.
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und regelmässiger Kolumnist der «Handelszeitung». Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.
1 Kommentar
Wenn Lohn pro Stunde abgerechnet wird ist eine Gleichstellung keine Diskriminierung. Für den Fall, das jemand für die selbe Arbeitszeit, in der selben Position wie eine andere Person mehr verdienen sollte kann diese Person doch einfach ein monatlich festgelegten Lohn erhalten oder Boni bekommen.