Die Versicherungsbranche befasst sich schon seit längerem mit dem drohenden Fachkräftemangel. Damit ist sie anderen Branchen einen Schritt voraus. Ein Grund dafür ist, dass Versicherungsgesellschaften sich aufgrund ihres Geschäftsmodells stärker mit zukünftigen Entwicklungen und dem demografischen Wandel beschäftigen. «Als Versicherer analysieren wir viele Daten, daher nehmen wir den zu erwartenden Fachkräftemangel ernst», erklärt Hans-Peter Nehmer, Kommunikationschef bei der Allianz Suisse. 

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Strategische Personalplanung: Wen brauchen wir?

Neben der Allianz Suisse beteiligten sich auch die Baloise und die CSS an der Studie der FHNW und der Fachhochschule Ost über «Late Careers». Diese untersuchte unter anderem die Frage, wie Schweizer Unternehmen das Potenzial ihrer älteren Mitarbeitenden besser nutzen können. Ziel war es, die aktuelle Ist-Situation zu analysieren und daraus konkrete Massnahmen abzuleiten.

Sich darüber Gedanken zu machen, welche Fähigkeiten in Zukunft gefragt sind, ist eine wichtige Grundlage. Daher ist eine strategische Personalplanung für die teilnehmenden Organisationen ein relevanter Erfolgsfaktor. Einige Beispiele: Die Allianz Suisse will die Weiterbildungsrate der Mitarbeitenden 50 plus um 5 Prozent steigern. Die Belegschaft der Baloise kann seit gut einem Jahr 10 Prozent ihrer Arbeitszeit in individuelles Lernen investieren. Für den Anstoss des Projektes «Strategic Skilling» organisierte die Baloise im Januar 2021 einen schweizweiten Anlass für über hundert Top-Führungskräfte. Damit setzte die Geschäftsleitung ein wichtiges Zeichen, um das Mindset des lebenslangen Lernens nachhaltig im Unternehmen zu verankern.

Veränderungen finden im Kleinen und im Grossen statt

Auch wenn der Einbezug der Geschäftsleitung hilfreich und sinnvoll ist, kann auch im Kleinen einiges für die Förderung der Generationenvielfalt getan werden. Oft geht es darum, bestehende Prozesse des «Employee Life Cycle» kritisch zu überprüfen und aufmerksam zu sein gegenüber einer möglichen Altersdiskriminierung, zum Beispiel bei der Formulierung von Stellenanzeigen. Auch die Fotopalette soll erweitert werden, sodass in Zukunft in den Jobinseraten Menschen aller Altersgruppen zu sehen sind. Bei der CSS wird das Thema «Standortbestimmung» gezielt bei den regelmässig stattfindenden Mitarbeitergesprächen adressiert – nicht nur bei den Jüngeren.

Übergabe von Führungsverantwortung an den Nachwuchs

Bisher war es in den meisten Firmen üblich, Gas zu geben bis zur Pensionierung. Grössere berufliche Veränderungen in den letzten 10 bis 15 Jahren im Job wurden oft nicht unterstützt. Die Baloise unterstützt neu alternative Wege mit ihrer neuen Altersfach- und Teilzeitkarriere und der Funktion des «Senior Advisor». Ältere Mitarbeitende können von ihrer Führungs- in eine Spezialistenfunktion wechseln unter Besitzstandswahrung auf Ebene Pensionskasse. Damit soll ein sanfterer Übergang in die Pensionierung und eine mögliche Weiterarbeit nach 65 gefördert werden. Gleichzeitig können jüngere Mitarbeitende sich in Führungspositionen entwickeln und vom Erfahrungswissen der «Senior Advisors» profitieren.

Wie werden die drei Versicherer erkennen, ob ihre Aktivitäten greifen? Zum einen können Personalverantwortliche durch die regelmässig stattfindenden Mitarbeiterumfragen feststellen, wie sich ihre Massnahmen auf die verschiedenen Alterskategorien auswirken. Zum anderen können Daten aus den Personalmanagement-Systemen aufzeigen, ob offene Stellen vermehrt mit älteren Personen besetzt wurden.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Für Hans-Peter Nehmer von der Allianz Suisse ist klar, dass die berufliche Weiterentwicklung eine Hol- und eine Bringschuld ist. «Die Digitalisierung und die Schnelligkeit von Veränderungen hat mehr Einfluss auf die Arbeitsmarktfähigkeit, als die meisten älteren Mitarbeitenden denken.» Auch Nehmer hat sich nach seinem 50. Geburtstag Gedanken gemacht, wie er die nächsten 10 bis 15 Jahre gestalten will, und sich für eine CAS-Weiterbildung entschieden.

Karriere neu denken, Vorbild sein für unkonventionelle Wege, Offenheit für Neues und die Bereitschaft des lebenslangen Lernens sind wichtige Voraussetzungen für die Zukunft. Die Versicherungsbranche ist da schon einen Schritt weiter als andere Branchen.