850'000 Mahlzeiten will das Portal «Too good to go» bisher vor dem Abfall gerettet haben, alleine in der Schweiz. Soweit die Theorie.
- Kapitel 1Purpose und Profit
- Kapitel 2These: Zahlen sind nicht die ganze Geschichte
- Kapitel 3These: App verleitet zu erhöhter Produktion
- Kapitel 4These: Für Greenwashing missbraucht
- Kapitel 5These: Fördert Schnäppchenmentalität
- Kapitel 6These: «Gerettete Mahlzeiten» werden doch weggeworfen
- Kapitel 7These: Bedürftige gehen jetzt leer aus
Die Plattform hilft, um mit wenig Aufwand an eine Publikum heranzukommen, das nur schwer zu erreichen ist: Technologie-affin, umweltbewusst, trendig. «Die Plattform eignet sich, um am Image zu feilen und sich als umweltfreundlich zu positionieren», sagt Olivia Keller vom Fibl-Spinoff Sustainable Food Systems.
In der Tat bemühten sich viele Unternehmen, ihre Glaubwürdigkeit im Bereich Nachhaltigkeit zu stärken, sagt Too Good To Go. Das bedeute nicht, dass jede Bemühung die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu vermeiden, ein grosser Schritt sein müsse.
Abfälle beim Verkauf sind ein Klacks
Too Good to Go sei deshalb zum Schluss gekommen, dass eine Initiative zur Vermeidung von Verschwendung ins aktuelle Geschäftsmodell passen müsse, um effektiv zu sein. Es könne nur von Vorteil sein, die Spannungen zwischen Geschäft und Nachhaltigkeit zu reduzieren, sagt Too Good To Go.
Das Problem dabei: Die Abfälle, die beim Verkauf anfallen, sind insbesondere bei Restaurantbetrieben, ein Klacks im Vergleich zu dem, was vorher auf der Strecke bleibt.
«Too Good To Go löst ein einzelnes Problem: die bereits produzierten Überschüsse an die Frau und an den Mann zu bringen», sagt Markus Hurschler von Foodways, einem Unternehmen, das Gastrobetriebe bei der Waste-Vermeidung berät. Wer umfassend Verschwendung reduziere, der müsse messen, auf welcher Stufe wieviel Abfall anfalle, und dann seine Abläufe anpassen.
«Das nimmt zwar etwas Zeit in Anspruch», doch der daraus generierte Nutzen übersteige die Kosten langfristig um ein Vielfaches, sagt der Co-Gründer des Berner Unternehmens.
Wie lohnend es sein kann, das Problem der Verschwendung von Grund auf anzugehen, zeigt das Beispiel des Alterspflegeheims Humanitas in Riehen bei Basel. «Wir konnten unsere Kosten für Lebensmittel glatt halbieren», sagt Direktorin Stefanie Bollag.
Der Betrieb, der täglich 111 Bewohner und 20 bis 30 Mitarbeiter versorgt und einen Mahlzeitendienst für 50 Personen und eine Restaurant mit 60 Plätzen betreibt, produziert heute praktisch keine Abfälle mehr.
Eine entscheidende Massnahme: Die Mahlzeiten werden nicht mehr in der Küche geschöpft, sondern an einem Servierwagen. Das heisst, die Heimbewohner können am Tisch entscheiden, was sie essen wollen und wieviel sie geschöpft haben möchten.
Und noch etwas zeigt das Beispiel von Riehen: Verschwendung vermeiden geht nicht von heute auf morgen; «Waste-Vermeidung erfordert eine andere Kultur und dazu müssen alle im Boot sein», sagt Stephanie Bollag.